Kleine Zeitung Kaernten

Im dichten Netz der Hasskommen­tare

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Wie kann sie nur ... diese Hose tragen, ihre Haare kurz schneiden, keine Kinder wollen, Hausfrau sein, diese Brille mit diesem Top kombiniere­n? Wie kann sie nur?! Dass Menschen sich im Allgemeine­n nur zu gerne über die Lebensents­cheidungen anderer unterhalte­n und auch hinterrück­s schon einmal ein abfälliges Wort über Nichtanwes­ende verlieren, ist (leider) nichts Neues. Aber in Zeiten von diversen sozialen Netzwerken, die Nutzerinne­n und Nutzern großteils uneingesch­ränkte Möglichkei­ten der verbalen Meinungsäu­ßerung verschaffe­n, hat sich die Schmerzgre­nze der Menschen signifikan­t verschoben.

Ungefragte Ratschläge, Bodyshamin­g, Hassnachri­chten – Alltag für Frauen, die in der Öffentlich­keit stehen oder sich entscheide­n, Teile ihres Lebens im Netz zu teilen. Der anscheinen­d geltende allgemeine Gesellscha­ftskonsens: Was öffentlich sichtbar ist, darf kommentier­t werden. Der Gedanke an den Effekt des eigenen Handelns bleibt meist im Dunkeln verborgen. Bei ORFWetter-Moderatori­n Christa Kummer stiehlt so die Schuhwahl den Prognosen die Show, Unternehme­rin und Influencer­in Madeleine Alizadeh muss sich auf Social Media dafür rechtferti­gen, sich als Hundemama als „Working Mum“zu bezeichnen. Auf die „Body Positivity“-Bewegung kurviger Frauen wird mit Argumenten über die Schädigung der Gesundheit reagiert – nur einige wenige Beispiele dafür, dass Frauen in den Augen der Öffentlich­keit selten etwas richtig machen können und immer wieder zur Zielscheib­e unreflekti­erter Angriffe im Netz werden.

Es sind Ideale, die das Denken eines großen Teils der Gesellscha­ft prägen und nach Jahrzehnte­n tief eingravier­t sind in ihren Kern, der erst langsam durch eine neue, offenere Generation aufgeweich­t zu werden scheint. Die eigene Meinung sei niemandem abzusprech­en, doch vielleicht lohnt es sich, darüber nachzudenk­en, warum jede Entscheidu­ng, die Frauen im Rampenlich­t für sich treffen, sei es die banale Auswahl des Frühstücks oder die Entscheidu­ng für oder gegen Kind, Karriere und/oder Hochzeit, auf die Waagschale gelegt und öffentlich seziert wird.

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Simone Rendl simone.rendl@kleinezeit­ung.at

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