Kleine Zeitung Kaernten

Die größten Baustellen der Migrations­politik

Auch Jahre nach der großen Migrations­welle ringt die EU um eine einheitlic­he Asylpoliti­k. Ein Überblick zum Weltflücht­lingstag.

- Von Christina Traar

Fast sieben Jahre ist es her, als im Herbst 2015 Hunderttau­sende Flüchtling­e – vorrangig aus Syrien und Afghanista­n – in der EU ankamen. Quasi über Nacht standen die Asylsystem­e der besonders betroffene­n Länder vor dem Kollaps. Nach anfänglich­em Schock schwor man sich in Brüssel, nie wieder so unvorberei­tet zu sein. Nach zähen Verhandlun­gen präsentier­te die EU-Kommission fünf Jahre später ihren ehrgeizige­n Plan für eine Reform des Asyl- und Migrations­systems. Seither konnte man sich auf nur wenige Randpunkte einigen, große Brocken bleiben weiter ungeklärt. Ein Blick auf die größten Baustellen.

Verteilung. Das V-Wort ist zum Unwort unter vielen europäisch­en Staaten geworden. Seit 2016 wird über Modelle diskutiert, wie ankommende Asylwerber­innen und -werber innerhalb der EU verteilt werden könnten, um die Mitgliedsl­änder an der EU-Außengrenz­e zu entlasten. Doch bei der Quotenrege­lung legen sich viele Mitglieder quer, auch die Umstände dieser Regelungen und ihre Bemessungs­grundlage sind bis heute strittig. Auch Österreich gehört zu jenen Ländern, die wenig angetan von der Idee sind.

sei bereits genug „belastet“, das Land habe für seine kleine Größe bereits viele Menschen aufgenomme­n.

Frankreich, aktuell noch EU-Ratsvorsit­zland, verkündete vergangene Woche vollmundig eine „historisch­e Einigung“in Sachen Verteilung. Diese sehe ein solidarisc­hes Aufnehmen von Geflüchtet­en vor, etwas weniger als die Hälfte der EU-Staaten seien dazu bereit. Von einer „Koalition der Willigen“ist immer wieder die Rede. Wer sich weigert, soll als Ausgleich zahlen. Freilich stellte sich die Einigung bald als freiwillig­e politische Erklärung heraus. Eine Absage kam postwenden­d neben Polen, Ungarn und der Slowakei auch aus Österreich. Ebenfalls mit dem Verweis, bereits genug getan zu haben. Eine Lösung ist hier also weiterhin nicht in Sicht.

Anlandezen­tren. Es ist eine Idee, die bereits kurz nach Ausbruch der „Flüchtling­skrise“aufkam und auch von TürMan

kis-Blau ins Spiel gebracht wurde. Asylwerber sollen dabei in „Anlandepla­ttformen“oder „Anlandezen­tren“in Drittstaat­en außerhalb der EU – vorrangig in Afrika – gebracht werden und dort den Ausgang ihres Asylverfah­rens abwarten. Das soll verhindern, dass die Menschen in der EU untertauch­en oder man sie nicht mehr abschieben kann. Mehrere Länder träumen politisch schon seit Jahren von einer solchen Regelung.

Bisher scheitert das Vorhaben neben verfassung­s- und völkerrech­tlichen Barrieren auch an den Ländern, die die Asylwerber nicht aufnehmen wollen. Dennoch brachte Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) der Vorschlag vergangene Woche erneut aufs Tapet. Eine Aussicht auf Durchsetzb­arkeit für EU-Länder gibt es aber weiterhin nicht. Das ausgetrete­ne Großbriein­e diären Schutz oder humanitäre­s Bleiberech­t. 14.600 Personen erhielten einen negativen Bescheid.

Caritas, Diakonie und Asylkoordi­nation fordern anlässlich des Weltflücht­lingstages erneut eine Kursänderu­ng in der heimischen Asylpoliti­k. Unter anderem wurde die bereits bekannte Forderung erneuert, das System der Grundverso­rgung grundletan­nien ging bereits einen Schritt weiter und kündigte letzte Woche einen Flug mit Asylwerber­n nach Ruanda an – ein millionens­chweres Abkommen mit dem Land mache das möglich. Eine Rückkehr in das Vereinigte Königreich sei dabei auch mit einem positiven Asylbesche­id nicht möglich. Doch der kostspieli­ge Flug fiel ins Wasser, Klagen von Menschenre­chtsorgani­sationen und Gerichtsbe­scheide verhindert­en das Projekt in letzter Minute.

Grenzkontr­ollen. Eigentlich sollte es sie nicht mehr geben, doch seit 2016 sind sie zurück – Grenzkontr­ollen im Schengen-Raum. Neben Deutschlan­d und Frankreich meldete auch Österreich mehrfach Kontrollen an. Dafür gab es viel Kritik, der Europäisch­e Gerichtsho­f bezeichnet­e jene in Österreich sogar als nicht gend zu reformiere­n. Zudem wird gefordert, dass Geflüchtet­e aus der Ukraine, die aufgrund einer EU-Richtlinie ohne vorheriges Ermittlung­sverfahren vorübergeh­enden Schutz für Vertrieben­e genießen, auch ein Anrecht auf Sozialhilf­e bekommen. „Normalen“Asylwerber­n stehen diese Hilfen zu, lautet die Begründung.

Zudem wird zumindest rechtmäßig. Das Land habe keine ausreichen­den Verlängeru­ngsgründe angegeben. Nun haben sich die EU-Innenminis­ter darauf geeinigt, dass die Kontrollen bei der Kommission ausführlic­h begründet und zeitlich festgelegt werden müssen. Das Gesetz ist noch in Verhandlun­g.

Außengrenz­schutz. Seltene Einigkeit gibt es hingegen beim Außengrenz­schutz. Neben einer (vor allem finanziell­en) Stärkung der Grenzschut­zagentur Frontex und genaueren Kontrollen der Ankommende­n werden ihre Daten inzwischen in einem EU-weiten System elektronis­ch erfasst. Künftig sollen auch Schnellver­fahren an der Grenze möglich sein, um schon bei Einreise die Chance auf Asyl abzuklären. In trockenen Tüchern ist das Vorhaben allerdings noch nicht.

Erhöhung der Zuverdiens­tgrenze gefordert, um Betroffene­n die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt zu erleichter­n. Die Caritas fordert zudem eine „spürbare Erhöhung der Grundverso­rgung, die der Inflation entspricht“. Laut Asylkoordi­nation solle die aktuelle Krise ohnehin gleich dazu genützt werden, das System komplett neu aufzustell­en.

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