Die größten Baustellen der Migrationspolitik
Auch Jahre nach der großen Migrationswelle ringt die EU um eine einheitliche Asylpolitik. Ein Überblick zum Weltflüchtlingstag.
Fast sieben Jahre ist es her, als im Herbst 2015 Hunderttausende Flüchtlinge – vorrangig aus Syrien und Afghanistan – in der EU ankamen. Quasi über Nacht standen die Asylsysteme der besonders betroffenen Länder vor dem Kollaps. Nach anfänglichem Schock schwor man sich in Brüssel, nie wieder so unvorbereitet zu sein. Nach zähen Verhandlungen präsentierte die EU-Kommission fünf Jahre später ihren ehrgeizigen Plan für eine Reform des Asyl- und Migrationssystems. Seither konnte man sich auf nur wenige Randpunkte einigen, große Brocken bleiben weiter ungeklärt. Ein Blick auf die größten Baustellen.
Verteilung. Das V-Wort ist zum Unwort unter vielen europäischen Staaten geworden. Seit 2016 wird über Modelle diskutiert, wie ankommende Asylwerberinnen und -werber innerhalb der EU verteilt werden könnten, um die Mitgliedsländer an der EU-Außengrenze zu entlasten. Doch bei der Quotenregelung legen sich viele Mitglieder quer, auch die Umstände dieser Regelungen und ihre Bemessungsgrundlage sind bis heute strittig. Auch Österreich gehört zu jenen Ländern, die wenig angetan von der Idee sind.
sei bereits genug „belastet“, das Land habe für seine kleine Größe bereits viele Menschen aufgenommen.
Frankreich, aktuell noch EU-Ratsvorsitzland, verkündete vergangene Woche vollmundig eine „historische Einigung“in Sachen Verteilung. Diese sehe ein solidarisches Aufnehmen von Geflüchteten vor, etwas weniger als die Hälfte der EU-Staaten seien dazu bereit. Von einer „Koalition der Willigen“ist immer wieder die Rede. Wer sich weigert, soll als Ausgleich zahlen. Freilich stellte sich die Einigung bald als freiwillige politische Erklärung heraus. Eine Absage kam postwendend neben Polen, Ungarn und der Slowakei auch aus Österreich. Ebenfalls mit dem Verweis, bereits genug getan zu haben. Eine Lösung ist hier also weiterhin nicht in Sicht.
Anlandezentren. Es ist eine Idee, die bereits kurz nach Ausbruch der „Flüchtlingskrise“aufkam und auch von TürMan
kis-Blau ins Spiel gebracht wurde. Asylwerber sollen dabei in „Anlandeplattformen“oder „Anlandezentren“in Drittstaaten außerhalb der EU – vorrangig in Afrika – gebracht werden und dort den Ausgang ihres Asylverfahrens abwarten. Das soll verhindern, dass die Menschen in der EU untertauchen oder man sie nicht mehr abschieben kann. Mehrere Länder träumen politisch schon seit Jahren von einer solchen Regelung.
Bisher scheitert das Vorhaben neben verfassungs- und völkerrechtlichen Barrieren auch an den Ländern, die die Asylwerber nicht aufnehmen wollen. Dennoch brachte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) der Vorschlag vergangene Woche erneut aufs Tapet. Eine Aussicht auf Durchsetzbarkeit für EU-Länder gibt es aber weiterhin nicht. Das ausgetretene Großbrieine diären Schutz oder humanitäres Bleiberecht. 14.600 Personen erhielten einen negativen Bescheid.
Caritas, Diakonie und Asylkoordination fordern anlässlich des Weltflüchtlingstages erneut eine Kursänderung in der heimischen Asylpolitik. Unter anderem wurde die bereits bekannte Forderung erneuert, das System der Grundversorgung grundletannien ging bereits einen Schritt weiter und kündigte letzte Woche einen Flug mit Asylwerbern nach Ruanda an – ein millionenschweres Abkommen mit dem Land mache das möglich. Eine Rückkehr in das Vereinigte Königreich sei dabei auch mit einem positiven Asylbescheid nicht möglich. Doch der kostspielige Flug fiel ins Wasser, Klagen von Menschenrechtsorganisationen und Gerichtsbescheide verhinderten das Projekt in letzter Minute.
Grenzkontrollen. Eigentlich sollte es sie nicht mehr geben, doch seit 2016 sind sie zurück – Grenzkontrollen im Schengen-Raum. Neben Deutschland und Frankreich meldete auch Österreich mehrfach Kontrollen an. Dafür gab es viel Kritik, der Europäische Gerichtshof bezeichnete jene in Österreich sogar als nicht gend zu reformieren. Zudem wird gefordert, dass Geflüchtete aus der Ukraine, die aufgrund einer EU-Richtlinie ohne vorheriges Ermittlungsverfahren vorübergehenden Schutz für Vertriebene genießen, auch ein Anrecht auf Sozialhilfe bekommen. „Normalen“Asylwerbern stehen diese Hilfen zu, lautet die Begründung.
Zudem wird zumindest rechtmäßig. Das Land habe keine ausreichenden Verlängerungsgründe angegeben. Nun haben sich die EU-Innenminister darauf geeinigt, dass die Kontrollen bei der Kommission ausführlich begründet und zeitlich festgelegt werden müssen. Das Gesetz ist noch in Verhandlung.
Außengrenzschutz. Seltene Einigkeit gibt es hingegen beim Außengrenzschutz. Neben einer (vor allem finanziellen) Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex und genaueren Kontrollen der Ankommenden werden ihre Daten inzwischen in einem EU-weiten System elektronisch erfasst. Künftig sollen auch Schnellverfahren an der Grenze möglich sein, um schon bei Einreise die Chance auf Asyl abzuklären. In trockenen Tüchern ist das Vorhaben allerdings noch nicht.
Erhöhung der Zuverdienstgrenze gefordert, um Betroffenen die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Caritas fordert zudem eine „spürbare Erhöhung der Grundversorgung, die der Inflation entspricht“. Laut Asylkoordination solle die aktuelle Krise ohnehin gleich dazu genützt werden, das System komplett neu aufzustellen.