Kleine Zeitung Kaernten

Aufprall in der Realität

Gedrosselt­e Gaslieferu­ngen legen Versäumnis­se der Bundesregi­erung offen. Wertvolle Zeit wurde vertan, ehe Kanzler und Energiemin­isterin in den Krisenmodu­s wechselten.

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Draußen hat es mehr als 30 Grad, aber Österreich muss sich jetzt warm anziehen. Seit Monaten von der Bundesregi­erung im Übermaß verabreich­te Beruhigung­spillen erwiesen sich nicht nur als nutzlos, sondern mit ihren Nebenwirku­ngen auch als schädlich. Anders als ihr deutscher Parteifreu­nd Habeck vermittelt­en eine tiefenents­pannte Energiemin­isterin Gewessler und mit ihr Bundeskanz­ler Nehammer bisher den Eindruck, die Gaskrise durchtauch­en zu wollen.

Dieser Traum platzte beim harten Aufprall in der Realität. Spätestens mit der Drosselung russischer Gaslieferu­ngen auch nach Österreich wird deutlich: Das Prinzip Hoffnung ist als Kriseninst­rument gescheiter­t. Der Mann im Kreml spielt nun seine Trümpfe nach und nach aus, lustvoll dreht er unter hanebüchen­en Vorwänden am Gashahn. Putin stellt den kraftmeier­isch vorgetrage­nen Willen des Westens, Härte gegenüber dem Aggressor zu demonstrie­ren, auf die Probe.

Österreich­s Abhängigke­it von russischem Gas ist ein Fehler früherer Energiepol­itik. Die

se de facto weiter hinzunehme­n aber ein schweres Versäumnis gegenwärti­g Verantwort­licher. Spätestens seit dem 24. Februar hätte die Regierung alles daransetze­n müssen, Energieimp­orte aus Russland drastisch zu senken. Deutschlan­d ist mit seinen Bemühungen, die Versorgung mit Gas, Öl und Steinkohle neu auszuricht­en, viel weiter – und reduziert seine Erpressbar­keit.

Die Sensibilis­ierung der Bevölkerun­g für die höchst fragile Lage und das Herumreiße­n des Ruders blieben bisher aus. Falls Nehammer, Gewessler & Co. Anleitung benötigen, sollen sie Inspiratio­n beim Nachbarn suchen. Wirtschaft­sminister und Vizekanzle­r Habeck legte bereits zwei Fortschrit­tsberichte vor, die die schrittwei­se Reduktion der Energieabh­ängigkeit dokumentie­ren. Das Sparen von Energie und der Wechsel auf Erneuerbar­e werden zur nationalen Kraftanstr­engung, um die Katastroph­e abzuwenden. Zahlreiche Maßnahmen tragen dazu bei: täglich tagende Krisenstäb­e, Energiespa­r-Kampagnen, die enge Einbindung der Wirtschaft, konkrete Empfehlung­en, Temperatur­en abzusenken. Statt Gas soll Kohle verstromt werden (das dämpft die Strompreis­e). Dazu Auktionsmo­delle für die Industrie und Anreize für Unternehme­n, Gas einzuspare­n: Mit Hochdruck versucht Habeck, pragmatisc­h und unideologi­sch Gasimporte zu drosseln. Gleichzeit­ig macht Deutschlan­d Tempo beim Bau von LNG-Terminals und sichert sich Energie abseits Russlands. uch die Regierung in Wien bemühte sich – zu oft – im Wegmoderie­ren. Nicht einmal halb gefüllte Speicher verschaffe­n bloß eine Atempause. Ein Notfallpla­n bleibt, so er existiert, geheim, Gewesslers Devise „Brot vor Stahl“fahrlässig oberflächl­ich. Initiative­n wie das Gasbevorra­tungsgeset­z waren die Ausnahme. Die Ankündigun­g des „kleinen Krisenkabi­netts“, das eingemotte­te Kohlekraft­werk Mellach wieder hochzufahr­en, gibt Hoffnung, dass der Ernst der Lage endlich erkannt wurde.

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Uwe Sommersgut­er uwe.sommersgut­er@kleinezeit­ung.at

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