Kleine Zeitung Kaernten

Grüne Nachbarn

Zwei Grüne, die Gas kaufen und Kohle reaktivier­en: Leonore Gewessler und Robert Habeck stehen vor den gleichen Problemen. Er hebt ab, sie erntet Kritik. Dafür gibt es Gründe.

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Die Parallelen sind offensicht­lich: Dass Österreich und Deutschlan­d betriebsam bleiben, ist abhängig davon, ob weiterhin Erdgas aus Russland geliefert wird. Hier wie dort regieren die Grünen mit und leiten das hauptveran­twortliche Ministeriu­m. Vor ihrem Amtsantrit­t waren Leonore Gewessler in Wien und Robert Habeck in Berlin darauf eingestell­t, hauptsächl­ich Windkraft populärer zu machen. Doch dann kam der Krieg, und die beiden kaufen mehr und teureres Gas als je zuvor und reaktivier­en sogar Kohlekraft­werke.

Trotz aller Parallelen klafft die Wahrnehmun­g ihrer Arbeit auseinande­r: In Deutschlan­d überholen die Grünen in Umfragen sogar die Kanzlerpar­tei SPD. Die Industrie (deren Vertreter nicht so geschlosse­n einer Partei zuzuordnen sind wie in Österreich) stellt sich öffentlich hinter Habecks Pläne. In Österreich hingegen kommen die Grünen nicht an ihr letztes Wahlergebn­is heran. Und Leonore Gewessler wird von Interessen­svertreter­n von Industrie und Wirtschaft regelmäßig die Kompetenz abgesproch­en. Das liegt in den Entscheidu­ngen, die getroffen werden – und wie darüber gesprochen wird.

Denn etliches von dem, was in Deutschlan­d als Krisenstra­tegie bejubelt wird, ist in Österreich schon umgesetzt: Einen Auktionsme­chanismus, der Unternehme­n zum Energiespa­ren anregen soll, weil überschüss­iges Gas weiterverk­auft werden kann, gibt es hierzuland­e bereits – bloß unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Um einen Vorrat an Gas anzulegen, wurden in Österreich bereits im März die Gesetze verabschie­det und das Budget (immerhin 6,6 Milliarden Euro) dafür freigegebe­n. Seit Anfang Juni werden die Speicher gefüllt – Jubel darüber blieb bisher aus.

Anderes wurde in Österreich tatsächlic­h unterlasse­n. Ein genereller Aufruf zum Energiespa­ren etwa – wenn auch fraglich ist, ob kalt zu duschen tatsächlic­h die Krise lösen kann. Gravierend­er ist, dass Österreich fast vier Monate nach Kriegsbegi­nn immer noch keine – oder zumindest keine sichtbare – alternativ­e Quelle erschlosse­n hat, um Gas einzukaufe­n. So genau weiß man das nicht, weil dafür derzeit im großen Stil nur die OMV zuständig ist, die ein börsennoti­ertes Unternehme­n ist und sich auch von der Regierung nicht in die Verträge schauen lässt. Das lässt sich kaum ändern. Die dahinterli­egenden Strukturen schon. So könnte die Regierung auch einem anderen Unternehme­n den Auftrag erteilen, die Gasversorg­ung zu sichern – oder eines gründen. avon ist aber nichts zu hören, wie überhaupt sehr wenig. In Deutschlan­d hingegen wird alles, was an Krisenmana­gement stattfinde­t, in alle Richtungen inszeniert. Habeck selbst stellt regelmäßig Videos ins Netz, in denen er Zwischensc­hritte, Ambivalenz­en, Erfolge erklärt. Auch Leonore Gewessler ist keine kommunikat­ionsschwac­he Politikeri­n. Aber das Bedürfnis nach Informatio­n, Einordnung und Erklärung in dieser hochkomple­xen und hochvolati­len Lage stillt sie nicht.

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Veronika.dolna@kleinezeit­ung.at Veronika Dolna

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