Schlepper werben mit dem Ukraine-Krieg
Bericht zu Schlepperei und Menschenhandel zeigt einen deutlichen Anstieg an Aufgriffen. Ministerium will „vehement“vorgehen.
Sie wecken falsche Hoffnungen auf ein besseres Leben. Sie betreiben „aggressives Marketing“. 441 Schlepper konnten in Österreich im vergangenen Jahr festgenommen werden. Das sind um einige mehr als 2020 (311 Schlepper). Das zeigt der aktuelle Bericht zu Schlepperei und Menschenhandel, den Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gestern am Weltflüchtlingstag präsentierte.
„Die mafiosen Schlepperbanden machen auf dem Rücken von Flüchtlingen ein Milliardengeschäft. Ih- nen ist jedwedes Menschenleben egal“, sagt Karner. Derzeit werben die Schlepper mit dem Krieg in der Ukraine: „Sie erwecken den Eindruck, dass Europa offen ist.“Man registriere also viele Aufgriffe von Flüchtlingen aus Indien, Pakistan, Algerien, Tunesien oder Marokko. „Nationalitäten, die so keine Chance auf einen positiven Asylbescheid in Österreich hätten“, erklärt Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt. Rund 3200 Asylanträge von indischen, türkischen und tunesischen Staatsbürgern gab es heuer schon.
Bei der Schlepperei kommt es immer wieder zu Todesfällen: Erst kürzlich wurde ein 19-jähriger marokkanischer Flüchtling auf der A 4 in Niederösterreich von einem Lkw überrollt und getötet. Er hatte sich – mit drei weiteren Personen – unterhalb des Autos versteckt und offenbar den Halt verloren.
Flüchtlinge wurden 2021 aufgegriffen. Das ist die dritthöchste Zahl an Aufgriffen in den vergangenen zehn Jahren. 15.941 der Flüchtlinge kamen mit einem Schlepper. Die Hauptroute führt über Ungarn nach Österreich. Demnach wurden die meisten Menschen in Oberpullendorf entdeckt. Überwiegend waren sie aus Syrien und Afghanistan.
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Die Schlepper, die versucht haben, die Flüchtlinge über die Grenzen zu bringen, sind zu 95 Prozent Männer – oft Syrer, Serben, Türken oder Rumänen, weiß Tatzgern. Sie hätten gute Sprach- und Ortskenntnisse und könnten ihre Opfer so leichter finden und überreden. Dieses Jahr haben die Behörden schon mehr als 200 Schlepper festgenommen. Das lasse auf einen erneuten Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren schließen, sagt Karner.
Im Fall von Menschenhandel und Prostitution konnte man im Vorjahr genau 119 Opfer identifizieren. Aktuell versuche man auch, zu verhindern, dass ukrainische Frauen oder gar Kinder ausgebeutet werden. Bisher habe es noch keinen derartigen
Fall gegeben. Man verteile zum Beispiel Informationskarten mit einem Hinweis auf die Menschenhandelshotline, sagt Tatzgern.
Gegen Schlepperei und Menschenhandel wolle man mit „aller Vehemenz und Konsequenz kämpfen“, sagt Karner. Vor allem setze man auf internationale Zusammenarbeit und „konsequente, ehrliche“Asylpolitik. Außerdem wurde die Abteilung Menschenhandel und Schlepperei mit 1. Dezember vergangenen Jahres neu aufgestellt.
Insgesamt sei der Migrationsdruck in Österreich groß, sagt Tatzgern. 76.000 Kriegsflüchtlinge befinden sich im Land. Heuer wurden bereits 9000 positive und 20.000 negative Asyl
bescheide ausgestellt. Besonders im Burgenland scheint die Situation prekär zu sein. Die Zahl der Ankommenden steige stetig, die Grenzen würden geradezu überrannt, die Einsatzkräfte seien überlastet, kritisierte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Man evaluiere die Situation und werde, wenn nötig, „rasch“handeln, erwiderte Karner.