Beim Grundkauf getäuscht
Wenn das gerade gekaufte „Grundstück mit allen Anschlüssen“an der Grundstücksgrenze keinen Kanalanschluss hat: Wer haftet?
Unsere Leserin und ihr Mann erwarben Ende 2018 einen Baugrund von einer Privatperson – vermittelt von einem Makler. „Auf dem Aushang des Maklers stand, dass alle Anschlüsse an der Grundgrenze vorhanden sind: Kanal, Wasser, Strom“, berichtet die Frau. Als das Paar mit einiger Verzögerung aufgrund der Pandemie schließlich mit dem Hausbau begann, stand allerdings schnell fest: kein Kanal! „Das war ein Schock, dadurch entstehen uns Mehrkosten von rund 10.000 Euro“, sagt die Leserin, die nicht bereit ist, das einfach so hinzunehmen. Ihr erster Versuch, direkt mit dem Maklerbüro eine Einigung zu erzielen, blieb erfolglos. „Man hat mir gesagt, dass ich die Maklerhaftung mehr als drei Jahre nach dem Kauf nicht mehr geltend machen könne und mit der Forderung von Schadenersatz auch keine Chance hätte, weil sich der Makler nach eigenen Angaben vor Kaufvertragsabschluss mit der Verkäuferin auf einen Preisnachlass geeinigt habe“, schildert die Leserin ihre Situation und möchte wissen, ob sie das wirklich so akzeptieren muss. „Wir haben schließlich ein Grundstück mit Kanalanschluss gekauft.“
Der Grazer Rechtsanwalt Stefan Kohlfürst, den wir um seine Expertise gebeten haben, hat gute Nachrichten für unsere Leserin: „Die dreijährige Gewährleistungsfrist beim Kauf von Liegenschaften beginnt zwar mit der Übergabe zu laufen, im Angebot des Immobilienmaklers wurde die Liegenschaft aber als eine mit sämtlichen Anschlüssen an der Grundstücksgrenze angepriesen. Wir sprechen dabei von einer zugesicherten Eigenschaft. Und bei ausdrücklich zugesicherten Eigenschaften wird der Beginn der Gewährleistungsfrist auf den Zeitpunkt der Mangelerkennbarkeit hinausgeschoben“, sagt er. Es bestehe somit Anspruch auf Gewährleistung, weil seit Erkennbarkeit des Mangels ja noch keine drei Jahre vergangen sind.
Zur Frage nach etwaigen Schadenersatzansprüchen wegen Arglist bzw. listiger Irreführung (auch zivilrechtlicher Betrug genannt) ist zu sagen: „Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist bei Schadenersatz gemäß Paragraf 1489 im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger.“Nun ist, wie Kohlfürst betont, davon auszugehen, dass der Verkäuferin bekannt war, dass die Liegenschaft nicht über die zugesicherten Anschlüsse verfügt. „Im Angebot wurden die Eigenschaften zugrundsätzlich
obwohl für das Grundstück noch keine Widmung als Bauland, sondern nur als Gärten vorhanden war. Zudem soll die Verkäuferin eine Vereinbarung mit dem Immobilienmakler über eine Preisreduktion aufgrund der fehlenden Anschlüsse geschlossen haben. Die Käufer wussten nichts von dieser Vereinbarung, nur von der noch zu veranlassenden Umwidmung.“
Unserer Leserin wurden somit falsche Tatsachen vorgespiegelt bzw. hat man sie durch Verschweigen von Informationen in ihrem Irrtum belassen oder bestärkt und so zum Vertragsabschluss geführt. „Täuschung durch Verschweigen heißt außerdem, dass eine Aufklärungspflicht verletzt wurde“, sagt Kohlfürst.
Dazu muss man wissen: Den Verkäufer einer Liegenschaft trifft im Allgemeinen keine Aufklärungspflicht über einen offenkundigen Mangel, auch ein diesbezüglicher Irrtum des Käufers muss ihm nicht auffallen. Im gegenständlichen Fall handelt es sich bei der fehlenden Erschließung des Grundstückes aber um keinen offengesichert, kundigen Mangel, wie Kohlfürst betont. Dass die zugesicherten Leitungsanschlüsse nicht direkt an der Grundstücksgrenze vorhanden sind, ist schließlich weder augenscheinlich noch ist es ohne weiteren Aufwand für die Käufer erkennbar. „Die Verkäuferin hat ihre Aufklärungspflichten nicht erfüllt, wobei ihr die Bauabsicht der Käufer bekannt war“, sagt Kohlfürst.
Im Kaufvertrag wurde übrigens kein Gewährleistungsausschluss vereinbart – „dieser wäre bei arglistig verschwiegenen Mängeln oder beim Fehlen ausdrücklich zugesicherter Eigenschaften aber ohnehin unwirksam,“sagt der Anwalt.
Für unsere Leserin und ihren Mann heißt das nun: Sie haben Anspruch auf Gewährleistung gegenüber der Verkäuferin. „Alternativ dazu können sie Arglist im Sinne des ABGB einwenden, weil der Verkäuferin und wohl auch dem Makler bekannt war, dass die zugesicherten Anschlüsse nicht vorhanden sind.“Die Käufer hätten dadurch die Möglichkeit, den Kaufvertrag anzufechten und rückabzuwickeln. „Wenn sie das nicht wollen, können sie dennoch Schadenersatz fordern.“Auf den Kosten für den Kanalanschluss bleibt das Käufer-Paar also keinesfalls sitzen.