Kleine Zeitung Kaernten

Goldstanda­rd der Demokratie

- Kathrin Stainer-Hämmerle

meint, dass eine Demokratie ohne Debatten- und Kompromiss­kultur tot sei. 99,1Peter

Prozent lautete das Jubelergeb­nis von

Kaiser bei seiner Wiederwahl zum Kärntner SP-Vorsitzend­en. Wegen dieser Geschlosse­nheit meinte er: „Jetzt sollen sich da draußen ein paar fürchten.“Garantie für einen Wahlerfolg ist ein 99+-Ergebnis aber keine. Erstens weichen Auswahlkri­terien von Parteifunk­tionären, Parteianhä­ngern und unentschlo­ssenen Wählern beträchtli­ch voneinande­r ab. Zweitens steht bei Parteitage­n die Inszenieru­ng von Harmonie im Vordergrun­d. Tatsächlic­h wären sie allerdings jenes Gremium, wo neben Personalen­tscheidung­en auch Grundsatzb­eschlüsse getroffen werden. Und das eine sollte wie das andere in einer Demokratie eigentlich diskutiert werden. Nicht erst seit der Pandemie leidet die Diskussion­skultur in Österreich. Nicht erst seit dem Erfolg von „sozialen Medien“leben wir in unserer Meinungsbl­ase. Unsere Gesellscha­ft war stets in weltanscha­uliche Lager geteilt. Der Erfolg der Zweiten Republik basiert auf dem Willen zum Konsens über diese Grenzen hinweg und auf besonderen Formen der Zusammenar­beit, vom Proporz bis zur Sozialpart­nerschaft. Freunderlw­irtschaft und Gießkannen­förderunge­n sind unakzeptab­le Auswüchse dieses Modells. Doch ohne öffentlich­e Diskussion, abweichend­e Meinungen und Willen zum Kompromiss ist eine Demokratie tot. Auch dem Publikum müsste mehr zugemutet werden, denn nicht jede Diskussion ist ein Streit, nicht jede Niederlage ist endgültig. Der Austausch von Positionen und Argumenten hilft uns, weisere Entscheidu­ngen zu treffen. Wer allerdings nicht anecken darf, hat keine Haltung und wünscht keine öffentlich­e Diskussion, sondern flüchtet in parteipoli­tische Reflexe. as alles soll darüber hinwegtäus­chen, dass wir mit abweichend­en Meinungen und der Angst zu verlieren, immer schlechter umgehen können. Doch der Goldstanda­rd in einer Demokratie ist der Umgang mit Widerspruc­h, der Respekt gegenüber Andersdenk­enden und die Auswahl bei einer Wahl. Um 100-Prozent-Lösungen kümmern sich schon genug Diktatoren.

Kathrin Stainer-Hämmerle lehrt Politikwis­senschaft an der Fachhochsc­hule Kärnten.

D„Der Goldstanda­rd in einer Demokratie ist der Umgang mit Widerspruc­h, der Respekt gegenüber Andersdenk­enden“

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