Goldstandard der Demokratie
meint, dass eine Demokratie ohne Debatten- und Kompromisskultur tot sei. 99,1Peter
Prozent lautete das Jubelergebnis von
Kaiser bei seiner Wiederwahl zum Kärntner SP-Vorsitzenden. Wegen dieser Geschlossenheit meinte er: „Jetzt sollen sich da draußen ein paar fürchten.“Garantie für einen Wahlerfolg ist ein 99+-Ergebnis aber keine. Erstens weichen Auswahlkriterien von Parteifunktionären, Parteianhängern und unentschlossenen Wählern beträchtlich voneinander ab. Zweitens steht bei Parteitagen die Inszenierung von Harmonie im Vordergrund. Tatsächlich wären sie allerdings jenes Gremium, wo neben Personalentscheidungen auch Grundsatzbeschlüsse getroffen werden. Und das eine sollte wie das andere in einer Demokratie eigentlich diskutiert werden. Nicht erst seit der Pandemie leidet die Diskussionskultur in Österreich. Nicht erst seit dem Erfolg von „sozialen Medien“leben wir in unserer Meinungsblase. Unsere Gesellschaft war stets in weltanschauliche Lager geteilt. Der Erfolg der Zweiten Republik basiert auf dem Willen zum Konsens über diese Grenzen hinweg und auf besonderen Formen der Zusammenarbeit, vom Proporz bis zur Sozialpartnerschaft. Freunderlwirtschaft und Gießkannenförderungen sind unakzeptable Auswüchse dieses Modells. Doch ohne öffentliche Diskussion, abweichende Meinungen und Willen zum Kompromiss ist eine Demokratie tot. Auch dem Publikum müsste mehr zugemutet werden, denn nicht jede Diskussion ist ein Streit, nicht jede Niederlage ist endgültig. Der Austausch von Positionen und Argumenten hilft uns, weisere Entscheidungen zu treffen. Wer allerdings nicht anecken darf, hat keine Haltung und wünscht keine öffentliche Diskussion, sondern flüchtet in parteipolitische Reflexe. as alles soll darüber hinwegtäuschen, dass wir mit abweichenden Meinungen und der Angst zu verlieren, immer schlechter umgehen können. Doch der Goldstandard in einer Demokratie ist der Umgang mit Widerspruch, der Respekt gegenüber Andersdenkenden und die Auswahl bei einer Wahl. Um 100-Prozent-Lösungen kümmern sich schon genug Diktatoren.
Kathrin Stainer-Hämmerle lehrt Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten.
D„Der Goldstandard in einer Demokratie ist der Umgang mit Widerspruch, der Respekt gegenüber Andersdenkenden“