Zeichen stehen auf atomare Aufrüstung
Konferenz in Wien beschäftigt sich mit dem Verbot von Atomwaffen. In der Realität ist Welt davon weit entfernt.
Alle Atommächte weltweit besitzen zusammen 12.705 Atomsprengköpfe. Trotz eines leichten Rückgangs schlagen Experten Alarm: Atomwaffenarsenale drohen ausgebaut zu werden. Das belegt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts. Zwar wird abgerüstet, aussortiert werden von den beiden Großmächten Russland und USA jedoch vor allem alte Bomben. Rund 90 Prozent aller derzeit verfügbaren Atombomben teilen sich nach wie vor auf die beiden Großmächte auf.
Beide Staaten blieben der Konferenz des Atomwaffenverbotsvertrags, die in dieser Woche in Wien über die Bühne ging, fern. Ein Blick auf die aktuelle politische Lage zeigt: Der Vertrag hat nichts an Aktualität eingebüßt. Mehr noch: Erstmals seit Jahren scheint atomare Kriegsführung wieder vorstellbar. Wie Experten zeigen, würde diese bestehende Kataverstärken und unisono abspulen – Krankheiten, Klimaveränderungen und internationale Staatenkonflikte.
Natürlich sind nicht alle Atombomben einsatzbereit – das müssen sie auch gar nicht. Die Waffen haben sich verändert. „Der Trend geht in Richtung Miniaturisierung. Viele sogenannte taktische Bomben haben, im Gegensatz zu strategischen Bomben, die ganze Städte zerstören, einen Wirkungsradius von wenigen Kilometern“, wie der Atomwaffenexperte Oberst Jürgen Schlechter erklärt. Sie sind wie chirurgisch präzise Skalpelle für örtlich begrenzte Gefechte. Beruhigend ist das noch lange nicht.
Die technologische Veränderung hin zu kleineren Waffen, sie steht nicht auf der Seite der Menschheit: „Eine durchschnittliche taktische Bombe hat heute die Kraft jener Bombe, die einst über Hiroshima abgeworfen wurde“, so Schlechter. Damals starben 100.000 Zivilisten sofort. Für Schlechter ist der Einsatz dieser taktischen
Atombomben in der Ukraine nur eine Frage der Zeit (siehe Interview unten), denn: Sie brächten schnellere Erfolge, auch im Kleinen. Massenvernichtung, damit die Summe an Gefechten insgesamt sinke.
Vor der Gefahr, die bereits von kleinen Atombomben ausgeht, warnt die Wissenschaftlerin Kim Scherrer. Die Schwedin untersuchte den Einfluss nuklearer Kriege auf die Umwelt und das menschliche Leben. Dafür simulierte sie den Einsatz von 100 vergleichsweise kleinen Bomben mit einer Sprengkraft von 15 Kilotonnen. „Bereits restrophen gionale Konflikte zwischen Staaten sind lebensbedrohlich für Milliarden von Menschen und sorgen für globale Katastrophen“, so Scherrer, die ihre Analyse auf der Atomwaffenkonferenz in Wien vorstellte.
Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung warnt sie: „Auch wenn nur ein Prozent der verfügbaren Atomwaffen eingesetzt wird, fallen damit zehn Prozent der globalen Landwirtschaft aus.“Eine fünfjährige Erntekrise würde drohen. „In der modernen Zivilisation hat es so etwas noch nicht gegeben“, so Scherrer. Grund dafür wäre der Rauch, der sich nach Angriffen
entwickelt und in die Atmosphäre aufsteigt. Das Sonnenlicht könnte das Leben auf der Erde nicht mehr erreichen, Pflanzen und Leben würden verschwinden. „Die Temperatur würde um bis zu 10 Grad fallen, wir hätten bis zu 60 Prozent weniger Regen und bis zu 70 Prozent weniger Sonnenlicht.“Bei größeren Konflikten käme es sogar zu einer Eiszeit, die ein Leben auf der Erde quasi unmöglich machen würde.
Worin sich Experten auch einig sind: Ein Einsatz von nuklearen Waffen wäre in jedem Fall ein Dilemma für den Westen. Die
Strahlung kleiner Atombomben würde das Nato-Gebiet vermutlich nicht erreichen und deshalb nicht zum Gegenschlag bemächtigen. Käme Moskau ohne Konsequenzen davon, hätte das Auswirkungen: Andere Staaten würden das Nuklearregime als machtpolitisches Instrument wiederentdecken, das den Handlungsspielraum erweitert.
Das glaubt auch Oberst Schlechter: „Der Iran wird Kriegsgewinner sein. Er schaltet in der Zwischenzeit eine Kamera der Internationalen Atomenergiebehörde nach der anderen ab und baut seine Uran-Vorkommen aus.“