Zwischen Show und eigener Verantwortung
Die ATP erlaubt nach Wimbledon Coaching während des Spiels. Eine Entscheidung, welche die Tennis-Geister scheidet.
Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten durfte sich Tennis stets damit rühmen, dass die Spieler für das Lösen ihrer Probleme selbst verantwortlich sind. Sprich, eine Unterstützung des Trainers während einer Partie war verboten und wurde bei Missachtung mit einem „Warning“bis hin zu einem Punkteabzug bestraft.
Im Damen-Tennis wurde diese Regel erstmals durchbrochen, als man es den Betreuern erlaubte, einmal pro Satz während eines Seitenwechsels auf den Platz zu kommen und seinen Schützling zu unterstützen. Dies mit Mikrofon, sodass auch das Publikum im Stadion und vor den TV-Geräten live mitverfolgen kann, was der Coach zu sagen hat. Anfang 2020 ging die WTA sogar noch einen
Schritt weiter und führte das Coaching von der Tribüne bzw. aus der Spielerbox aus ein.
Etwas überraschend hat nun auch die Spielervereinigung der Männer (ATP) bekannt gegeben, unmittelbar nach Wimbledon und vorerst bis Jahresende das Coaching zu erlauben. „Es hat immer wieder geheißen, Tennis sei der einzige Sport, wo man nicht coachen darf. Doch ist das nicht mehr zeitgemäß“, sagt ATP-Board-Director Herwig Straka. „Dem gegenüber steht aber die Eigenverantwortung der Spieler. Das sind zwei Extreme, die wir nun versuchen, zu vereinen.“Fakt ist, dass Coaching so oder so schon immer stattgefunden hat – sei es mit Zeichensprache oder durch Zurufen. Straka: „Deshalb haben wir diesen Bereich jetzt legalisiert.“
Allerdings gibt es genaue Vorgaben: So muss sich der
Trainer an einem dafür vorgesehenen Sitzplatz befinden und das Coaching darf nicht während eines Ballwechsels passieren. Verbales Coaching ist nur dann erlaubt, wenn sich der Spieler auf derselben Seite wie sein Betreuer befindet, nonverbales Coaching, wie etwa Signale mit der Hand, darf hingegen immer erfolgen.
Zudem muss das Coaching kurz gehalten werden, es darf keine richtige Konversation entstehen, und wenn ein Spieler den Court verlässt, darf der Trainer keinen Kontakt mit dem Profi aufnehmen. Sollten diese Regeln nicht eingehalten werden, werden Strafen oder Bußgelder verhängt. Überprüft werden soll der regelkonforme Ablauf des Coachings laut Straka vom Schiedsrichter.
Auf den Einsatz eines Mikrofons wird bei der ATP jedoch verzichtet. „Das scheitert an den
Sprachbarrieren. Eine Studie besagt, dass 75 Prozent der Coaches kein entsprechendes Englisch sprechen. Da wird das Zuhören schwierig und erfüllt nicht den Sinn der Sache. Außerdem ist es nicht zielführend, wenn der Trainer mit seinem Spieler in einer Sprache sprechen muss, die er kaum beherrscht“, sagt der Grazer Straka, der betont, dass es am Ende des Jahres eine Auswertung des Experiments geben und man dann beschließen würde, ob das Coaching weiterhin erlaubt sein soll.
Klar ist, dass das Coaching die Tennisfamilie spaltet. Die einen sehen darin hinsichtlich Show und Vermarktung einen Mehrgewinn für den Sport, die anderen den Abschied von der Eigenverantwortung der Spieler, die von nun an von ihren Coaches quasi bei der Hand genommen und durch das Match geführt werden können.