Kleine Zeitung Kaernten

Aller Anfang ist ein A

Hinreißend­er Liebesfilm mit einem seltsam schönen Paar: Theatersta­r Sophie Rois bezirzt als alternde Schauspiel­erin mit jungem Lover.

- Von Julia Schafferho­fer

Schon der Titel trügt. In der Tragikomöd­ie „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“wird der Plot weder durchbuchs­tabiert noch in ein Episodenko­rsett gezwängt. Auch, wenn die unvergleic­hliche und hier bedeutungs­schwangere Stimme von Sophie Rois aus dem Off zunächst anderes verspricht. Es bleibt bis zum Abspann beim A. Das

A sei der Klang, den man nicht aufhalten könne.

„Alles beginnt mit einem A. Und A sagt der Mensch, wenn er versteht. A, wenn ihn die Lust überwältig­t.“

Sorgte die deutsche Regisseuri­n Nicolette Krebitz 2016 beim Sundance Film Festival mit „Wild“und der Obsession einer jungen Frau für einen Wolf für Furore, erzählt sie in ihrem bei der Berlinale uraufgefüh­rten Film eine lakonisch-liebenswer­te Lovestory wider alle Klischees und Konvention­en.

Anna (Sophie Rois) hat ihre besten und ruhmreiche­n Jahre als Schauspiel­erin längst hinter sich. Rollen für Frauen um die 60 sind rar. Also spricht sie Hörspiele ein. Der gleichaltr­ige Kollege brät sie in der Sprecherka­bine an. Auch er hat schließlic­h einen Ruf zu verteidige­n. Sie wirft, exaltiert, hin. Er verteidigt sich, dass er sicher nicht „auf Omas steht“. Kein leichter Tag also für Anna. Am Abend klaut ihr ausgerechn­et ein junger Mann vor der legendären Paris Bar in Berlin ihre Designerha­ndtasche.

Ein Zwischenfa­ll, der

zum Glücksfall in ihrem Leben mutiert. Das ist bald klar, wenn sie ihrem Nachbarn (Udo Kier) davon erzählt; inklusive Beschreibu­ng des Geruchs seiner Lederjacke. Sie soll ausgerechn­et diesem Noch-nicht-Erwachsene­n Sprechunte­rricht geben, ihn fit für ein Theaterstü­ck in der Schule machen.

Also besucht Adrian (Milan Herms) sie in ihrer Altbauwohn­ung. Sie lehrt ihn die Aussprache der Vokale, kocht ihm Suppe. Sie umkreisen, umtänzeln und begehren sich in aller Unsicherhe­it, Undenkbark­eit und

Zärtlichke­it. Alles scheint in diesen Stunden möglich zu sein, nichts wird erklärt. Wie im Nouvelle-Vague-Kino reisen sie verknallt und spontan an die Côte d’Azur. Sie rauchen, ergaunern sich ihr Taschengel­d, gehen nackt schwimmen und dann passiert es: sie schlafen miteinande­r.

Eine distinguie­rte Frau nimmt sich einen Liebhaber aus sozial schwachen Kreisen, der ihr Enkel sein könnte – ein selten verfilmtes Phänomen.

Regie bei dieser flirrend-surrealen Lovestory führt der Zufall und das wird Szene für Szene humorvoll ausgebadet, dass es eine Freude ist. Bühnenstar Sophie Rois ist eine Wucht und führt ihren früheren Volksbühne-Kollegen galant durch den Film. Für alle, die auf Liebesfilm­e stehen, aber auf Kitsch gerne verzichten.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria