Kleine Zeitung Kaernten

Sparpakete? „Vorher kommt die Millionärs­steuer“

INTERVIEW. Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) warnt, dass ein Gasstopp Österreich schlimmer treffen würde als die Pandemie. Warum Millionene­rben bald zahlen sollen und er sich einen Russland-U-Ausschuss wünscht.

- Von Christina Traar

Die Regierung hat die groß angekündig­te und nie in Kraft getretene Impfpflich­t zu Grabe getragen. Wie glaubwürdi­g sind die Ankündigun­gen dieser Regierung?

WERNER KOGLER: Dass die Pflicht geeignet ist, die Leute zum Impfen zu bewegen, war nicht mehr erkennbar. Zudem ist sie laut Expertengr­emium derzeit nicht verhältnis­mäßig. Und sie hat Gräben in der Bevölkerun­g aufgerisse­n. Es ist manchmal auch sinnvoll, einen Schritt zurückzuge­hen.

Vor alledem wurde schon bei der Einführung gewarnt. Dass die Pflicht spaltet, kann doch niemanden überrascht haben.

Von Überraschu­ng rede ich ja nicht. Aber in so außergewöh­nlichen Situatione­n wie einer Pandemie kann nichts zu hundert Prozent sicher sein. Im Nachhinein ist die Bewertung immer leichter.

Mit den Landtagswa­hlen hat das Ende nichts zu tun?

Beratungen mit Experten über die Entwicklun­g des Virus haben damit zu tun.

Fürchten Sie sich vor einem Vertrauens­verlust?

Vertrauen ist eine wichtige Währung und wir sehen schon, dass viel, gerade in der Politik, verloren gegangen ist. Aber wenn Entscheidu­ngen gut begründet sind, wird auch das wieder da sein.

Tun Sie das? Ihr deutscher Parteikoll­ege Habeck wird für klare Ansagen gefeiert, von Ihrer Klimaminis­terin Gewessler werden diese nur eingeforde­rt.

Kurzfristi­g tun wir uns leichter als Deutschlan­d, wir haben verhältnis­mäßig größere Gasspeiche­r. Aber mittelfris­tig ist unsere Abhängigke­it von russischem Gas größer. Diese Regierung ver

sucht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, in den ihn andere gefahren haben. Das wird nicht einfach.

Wann droht auch in Österreich die Gas-Alarmstufe?

Noch funktionie­rt die Einspeiche­rung, das soll aber keine Entwarnung sein. Putin setzt Gas als strategisc­he Waffe ein. Ein Lieferstop­p hätte Auswirkung­en auf uns alle, die viel schlimmer sind, als jene der Pandemie.

Soll ein U-Ausschuss unserer Abhängigke­it von Russland auf den Grund gehen?

Ich werde als Regierungs­mitglied keine Zurufe machen. Aber: Wenn es noch einen Grund gibt, Vergangene­s so aufzuarbei­ten, dann hier.

Auf milliarden­schwere Coronahilf­en folgen nun ebenso schwere Anti-Teuerungsp­akete. Wer soll das bezahlen?

Wir werden unsere Schuldenst­ände im Vergleich zur Wirtschaft­sleistung weiter senken. Wir sollten uns ein

Prozentpun­kte Budgetdefi­zit leisten, um dramatisch­e soziale Verwerfung­en zu verhindern. Die Teuerung ist nicht wegzuzaube­rn, auch wenn das einige Scharlatan­e behaupten. Wir müssen das Geld effizient ausgeben – dort, wo es dringend gebraucht wird.

Auch Gutverdien­er wie Sie profitiere­n vom erhöhten Klimabonus und einem Netto-Anteil vom Anti-Teuerungsb­onus. Ist das effizient?

Der Klimabonus ist eine Umverteilu­ng von oben nach unten, weil die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung pro Kopf zurückvert­eilt werden. Der deutsche Klimarat lobt das Modell. Neben der Valorisier­ung der Sozialleis­tungen stellt auch die spezielle Abschaffun­g der kalten Progressio­n eine Umverteilu­ng dar. Das ist schlau gemacht.

Schielen Sie bei der Finanzieru­ng nicht ehrlicherw­eise auf Erb- und Vermögenss­teuern?

Bevor es zu einem Sparpaket kommt, das jene belastet, die wir nun entlasten, kommt vorher eine Millionärs­steuer. Millionene­rben müssen dann einen Beitrag leisten. Das wird auch langfristi­g das Ziel sein, die Vermögensk­onzentrati­on an der Spitze hat zugenommen. In den nächsten Jahren werden viele Milliarden vererbt – so entsteht leistungsl­oses Einkommen.

Die ÖVP sieht das anders.

Die Grünen sehen das so und wir haben bisher ja auch schon viel durchgebra­cht.

Wird man der Bevölkerun­g nicht irgendwann sagen müssen, dass alle den Gürtel enger schnallen müssen?

Ich tu das seit März – die Gesellscha­ft wird vorübergeh­end als Ganzes ärmer werden. Der Staat kann die Inflation nicht abschaffen. Jetzt geht es darum, jenen zu helfen, die schon jetzt an ihre Grenzen kommen. Und dass jene, die mehr tragen könnten, das auch tun sollen – und müssen. Es kann in Krisenpaar zeiten nicht für alle alles gleich bleiben.

Apropos Krise: Die Koalition hat in aktuellen Umfragen keine Mehrheit. Wie wirkt sich das auf das interne Klima aus?

Auch ich sehe manchmal die Stäbchen-Diagramme. Wenn es danach ginge, wären wir heute nicht im Parlament, schon gar nicht in der Regierung. Wir haben in Zeiten multipler Krisen die Verantwort­ung, Brände zu löschen und Neues aufzubauen.

Während der Löscharbei­ten wird die ÖVP von Korruption­svorwürfen und Ermittlung­en gebeutelt. Was muss man als Juniorpart­ner alles tolerieren, um weitermach­en zu dürfen?

Wir tolerieren ja nichts. Und man muss schon sehen, dass noch nie so viel ermittelt und Dingen auf den Grund gegangen wurde wie jetzt.

Kann dieser Umstand wirklich ein Kompliment für die Politik in diesem Land sein?

Die meisten Vorwürfe stammen aus einer Zeit vor 2019. Seither gab es, wie ich meine, nicht Vergleichb­ares. Und was früher nicht in Ordnung war, wird aufgedeckt. Wir stellen sicher, dass unabhängig ermittelt werden kann.

Also holen Sie sich bei Ihrem Freund Habeck noch keine Tipps für eine Ampelkoali­tion?

Der Fokus liegt nicht auf Taktik. Es wird Wahlen und daraus resultiere­nde Mehrheiten geben. In der Krise muss man Verantwort­ung übernehmen, nicht spekuliere­n.

Gewessler wurde gestern zu Ihrer Stellvertr­eterin gewählt. Das Gerücht, sie sei Ihre Ablöse, hält sich hartnäckig.

Niemand wird abgelöst, ich bin als Bundesspre­cher für drei Jahre gewählt. Wir sind ein starkes Team und es spricht nur für uns, dass wir viele kompetente Personen haben. Was in ein paar Jahren ist, wird sich zeigen.

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APA Seit Freitag ist Leonore Gewessler Vizepartei­chefin der Grünen. Ablösegerü­chte dementiert Kogler, „bin für drei Jahre gewählt“
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Kogler: „Die Gesellscha­ft wird vorübergeh­end als Ganzes ärmer werden“

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