Was das Urteil für die USA bedeutet
Das Oberste Gericht stimmte mehrheitlich für die Aufhebung des bisherigen US-Abtreibungsrechts. Der Weg zum kompletten Verbot in einzelnen Staaten ist damit frei.
Der Oberste Gerichtshof der USA hat mit einer wegweisenden Entscheidung das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt. Sechs der neun Richter am Supreme Court stimmten für diese Entscheidung, wie der Supreme Court am Freitag mitteilte.
Das Gericht machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei – bis hin zu kompletten Verboten in einzelnen US-Staaten. Damit ist das aktuelle Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten nach fast einem halben Jahrhundert Geschichte. „Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.
Der demokratische US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Aufhebung als „Verwirklichung einer extremen Ideologie“und „tragischen Fehler“. „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um diesen zutiefst unamerikanischen Angriff zu bekämpfen“, versprach er. Der US-Kongress müsse jetzt handeln, um in der Sache das letzte Wort zu haben. „Es ist nicht vorbei“, so Biden.
Die Entscheidung ist keine Überraschung: Anfang Mai hatte das Magazin „Politico“einen Entwurf dazu veröffentlicht. Daraus ging bereits hervor, dass das oberste USGericht so entscheiden will.
Das Urteil ist nun so drastisch wie erwartet. In etwa der Hälfte der Bundesstaaten dürfte es zu weitgehenden Einschränkungen kommen. Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen sind aber minheutige destens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche.
Dies stellte bisher ein Grundsatzurteil des obersten US-Gerichts von 1973 sicher, das als „Roe v. Wade“bekannt ist. Ein weiteres Urvon 1992, „Planned Parenthood v. Casey“, bestärkte die Rechtsprechung. Der Supreme Court, der unter dem vorigen Präsidenten Donald Trump deutlich nach rechts rückte, hat diese Entscheidungen nun gekippt. Die konservative Mehrheit im obersten US-Gericht hielt sich mit Schelte an den Vorgängern nicht zurück.
„Roe war vom Tag seiner Entscheidung an ungeheuer falsch und auf Kollisionskurs mit der Verfassung“, heißt es in der Begründung zum Urteil. Und: Die „Befugnis zur Regelung“des Abtreibungsrechts werden nun an das Volk und seine gewählten Vertreter zurückgegeben.
Mit dem neuen Urteil können die 50 Bundesstaaten über ein Recht auf Abtreibung auf der jeweiligen Landesebene entscheiden. Mehrere von ihnen haben bereits Gesetze erlassen, die nach dem nun erfolgten Wegfall der bundesstaatlichen Regelung die Abtreibung stark einschränteil
ken. Ein Gesetzesentwurf der Demokraten für ein Recht auf Abtreibung auf Bundesebene war Mitte Mai 2022 im Senat gescheitert.
Auch international sorgte die Entscheidung für viele Reaktionen. Kanadas Premier Justin Trudeau zeigte sich entsetzt: „Keine Regierung, kein Politiker oder Mann sollte einer Frau sagen, was sie mit ihrem Körper machen kann und was nicht.“Die Vereinten Nationen wiesen auf die Gesundheitsrisiken für Frauen hin. „Daten zeigen, dass die Einschränkung des Zugangs zur Abtreibung die Menschen nicht davon abhält, eine Abtreibung durchzuführen – sie macht sie nur tödlicher“, teilte der UNO-Bevölkerungsfonds noch am Freitag mit.