Ein filmreifes Duo vom Wörthersee
Ihre Produktionsfirma aus Klagenfurt steht hinter dem „Zürich-Krimi“und „Die Toten vom Bodensee“. Jetzt feiern Livia und Klaus Graf 20-Jahr-Jubiläum – und heben bald sogar in den Weltraum ab.
In „Der Arzt vom Wörthersee“, Heio von Stetten kam als Pfarrer gerade aus der Kirche, spielte die damals 14-Jährige ihre erste Rolle als „junges Mädchen“. Ihren Text – es war ein einziger Satz – weiß sie nicht mehr, wohl aber, dass sie sich in dem Moment entschieden hat, künftig nie mehr vor, sondern hinter der Kamera zu stehen.
Es folgten Stationen als Set-Runner, Produktionsfahrerin (schon mit L-17-Führerschein), das Studium Wirtschaftsrecht an der WU Wien mit abgeschlossenem Master, erste berufliche Stationen als Firmenkundenbetreuerin in einer Bank und als Konzipientin bei einem Anwalt.
Seit 2019 ist Livia Graf, mittlerweile 32, in der Filmproduktionsfirma ihres Vaters Klaus tätig. Sie ist gekommen, um zu bleiben. „Livia bringt die jungen Gedanken. Ich bin der Schutzschirm“, sagt der Vater. Übergabe? „Ich will kein alter Produzent sein. Aber jetzt bin ich erst 64.“
80 Filme – zumeist fiktionale TV-Produktionen – hat Graf Film in den letzten 21 Jahren seit der Gründung 2001 auf den Markt gebracht. Mit einem Jahr (Corona-) Verspätung feiern Livia und Klaus Graf mit ihren fünf Mitarbeiterinnen, Wegbegleitern und Geschäftspartnern am 1. Juli 20-Jahr-Jubiläum ihres Unternehmens, das sie selbst liebevoll als „größte Provinz-Filmfirma Österreichs“bezeichnen. Eine Art Wunder von Kärnten.
Provinziell ist freilich weder der Standort am Alten Platz in Klagenfurt noch das
Portfolio. Graf Film ist international tätig, mit Drehorten von Russland bis zur Karibik. Aktuellste Graf Film-Produktion ist der auf Englisch gedrehte Weltraum- bzw. Science-Fiction-Film „Rubikon“, der auch nach Amerika verkauft wurde, wo er im Juli Premiere hat. ÖsterreichStart der Drei-MillionenProduktion ist im September.
Was hat sich verändert seit 2001? „Die Krimilastigkeit der TV-Filme hat zugenommen“, sagt Klaus Graf. „Die Zuseher sind gern auf Mördersuche und gehen mit dem guten Gefühl, dass der TVMörder gefasst ist, ins Bett.“Graf ist gut im Geschäft mit der Reihe „Die Toten vom Bodensee“und den Zürichkrimis mit Anwalt Borchert
alias Christian Kohlund. Beide erreichen selbst bei Wiederholungen Millionen von TV-Zusehern und hohe Marktanteile. „Komödien sind schwieriger geworden. Sie sind die Meisterklasse“, sagt Graf, der zuletzt mit „Harry Pinter Drecksau“für volle Kinosäle sorgte. Apropos Erfolge: Graf ist vielfach ausgezeichnet worden – vom wichtigsten Fernsehpreis, dem Emmy (für „Das Wunder von Kärnten“), abwärts. Livia Graf wurde im Mai mit dem Nachhaltigkeitspreis Trigos für Green Filming, also klimaneutrales Filmen, ausgezeichnet. „Wir überprüfen alle Produktionsprozesse auf ökologische Konsequenzen. Vom Catering am Set über Mobilität bis zum Hotel für die Crew.“Das Büro in Klagenfurt trägt das Umweltzeichen.
Graf Film hat sich auf die Belieferung öffentlich-rechtlicher Sender fokussiert, arbeitet aber auch in Richtung Streaming-Plattformen.
„Es ist eine Revolution am Markt im Gange. Eine extrem spannende Zeit. Alle brauchen neuen Content. Öffentliche Sender produzieren zunehmend mehr für die Mediathek“, wissen die Grafs.
Dass das lineare Programm verschwindet, glauben sie nicht. „Das hat auch mit dem Lebensrhythmus der Menschen zu tun. Und nicht alle wollen ihr eigener Programmdirektor sein“, ergänzt Klaus Graf, der Werbeunterbrechungen hasst und
privat wenig fernsieht: „Ich sitze lieber auf der Terrasse.“
Gute Drehbücher – „eine große Kunst, damals wie jetzt. Unter einem Jahr ist kein Drehbuch fertig.“Ganz ohne Drehbuch klappt das gute Familienleben der Grafs. Ehefrau bzw. Mutter Margot ist Volksschullehrerin, Bruder bzw. Sohn Tobias ist Wirtschaftsinformatiker.
Für Livia Graf ist es „wichtig, was mein Vater geschafft hat. Menschlichkeit und Vertrauen sind im Vordergrund. Ich mache so weiter, aber nicht ohne rechts und links zu schauen“, sagt die Juristin, die „Frauen im mittleren Alter auf der Bildfläche für unterrepräsentiert“hält. Von Kärnten aus arbeiten zu können, sehen beide als Privileg.