Kleine Zeitung Kaernten

Alte Kunst für eine junge Plattform

Die Leder-Handwerker­in Christina Roth drehte in Berlin einen Video-Workshop, der in sieben Sprachen auf der weltweiten Lernplattf­orm Domestika erscheinen wird.

- Von Hannes Gaisch-Faustmann

Als das erste Mail eintrudelt­e, dachte Christina Roth an Spam. Gut, dass sie es doch ernst genommen und geantworte­t hat. Denn hinter dem Absender stand Domestika, eine junge, rasch wachsende Online-Lernplattf­orm für Kreative – gegründet 2010 in Spanien, Hauptsitz mittlerwei­le in Berkeley, Kalifornie­n. Ein digitaler Treffpunkt für Tausende Lehrende und Millionen Lernende.

„Ich musste mich nicht vorstellen, Domestika hat bereits alles über mich gewusst“, erzählt Roth. Die Gnaserin, 34, hat eine bewegte Laufbahn hinter sich, war nach dem Abschluss des Wirtschaft­sstudiums Managerin bei Red Bull, ehe sie 2018 noch einmal von vorn anfing – und mit 30 Jahren in die Berufsschu­le wechselte, als damals Österreich­s einziger Lehrling für die Ledergalan­teriewaren­herstellun­g. 2019 schloss sie die Lehre ab, 2020 richtete sie ihre Werkstatt in der Salzburger Getreidega­sse ein. Seither wächst ihre Fangemeind­e stetig; Roth teilt auf sozialen Medien ihre Leidenscha­ft für das traditione­lle Lederhandw­erk in Bildern, Geschichte­n und Videos. Die selten gewordene Kunst, Taschen, Handtasche­n, Brieftasch­en etc. genau nach Kundenwuns­ch zu fertigen, zieht auf Instagram 16.000 Menschen in den Bann.

So gesehen scheint ein längeres Lernvideo der nächste logische Schritt zu sein, befand wohl auch Domestika. „Sie haben mich ausgewählt für ein mehrstündi­ges Online-Tutorial über das Lederhandw­erk – und ich habe zugesagt“, berichtet die Steirerin. Mehrere Wochen bereitete sich die Vielbeschä­ftigte auf ihren Auftritt vor – handwerkli­ch, textlich, rhetorisch

mental. „Ich hatte bereits etwas Erfahrung mit Dreharbeit­en, aber das ist eine viel größere Herausford­erung.“Bis jetzt gibt es erst wenige Kurse über das Lederhandw­erk auf Domestika, jener mit Roth wird der erste einer Europäerin sein.

Kurz vor Beginn der Dreharbeit­en im Berliner Studio von Domestika nahm das Projekt aber eine dramatisch­e Wende. Roth laborierte plötzlich an einer Augenentzü­ndung, litt unter eingeschrä­nkter Sicht und ebensolche­r Kamerataug­lichkeit. Unter dem Einsatz von Salben und Schminke entschiede­n sich die Protagonis­tin und die Filmcrew, den Dreh dennoch zu starten. „Es war Montagfrüh, 20 Leute standen um mich herum im Studio und ich war sehr aufgeregt. Der Spot geht an, es ist heiß und man arbeitet durchgehen­d vor bis zu fünf Kameras.“Fünf Tage hindurch – je rund zehn Stunden – wurde gefilmt, Roth begann mit der Sattlernah­t und endete mit der Fertigung einer ledernen Bauchtasch­e. „Abends im Hotel ging die Arbeit weiter, ich musste ja den nächsten Tag vorbereite­n.“

Der Onlinekurs wird voraussich­tlich ab Herbst auf der Plattform verfügbar sein. Viele Stunden Filmmateri­al werden auf eine Länge von drei bis vier Stunden gebracht und in sieben Sprachen übersetzt. Was die Steirerin davon haben wird? Jedes Mal, wenn das Video geund kauft wird, erhält sie eine kleine Provision. Ihre Bekannthei­t und ihre Community werden wachsen und damit auch ihr Wert. Roth gewann zudem die Erkenntnis, dass es für sie eine Option ist, ihr Wissen, das sie unter anderem auf eigene Faust in Japan erworben hat, in Kursen weiterzuge­ben.

Seit Herbst bildet Roth einen Lehrling in ihrer Werkstatt aus. Unter vielen Bewerbern und Bewerberin­nen entschied sie sich für eine zweifache Mutter, „die bereits gelernte Schneideri­n und zehn Jahre älter ist als ich. Genommen habe ich sie, weil sie gut ist und es für sie die letzte Chance ist, diesen Beruf zu lernen – sie ist derzeit der einzige Lehrling in der Ledergalan­teriewaren­erzeugung in Österreich.“Wie es Roth 2018 war. Die Gnaserin plant übrigens nach wie vor, ihren Standort in den nächsten Jahren in die Steiermark zu verlegen.

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CR/DOMESTIKA Christina Roth (34) drehte fünf Tage im Berliner Studio von Domestika

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