Kleine Zeitung Kaernten

Das unvollende­te Meisterwer­k

Nach einem Jahr Pause tritt Serena Williams heuer wieder in Wimbledon an – auf der Jagd nach Grand-Slam-Titel Nummer 24.

- Von Alexander Tagger

War Serena Williams lange als gute Tennisspie­lerin ein Begriff, so „erarbeitet­e“sich die USAmerikan­erin am 1. Juni 2019 ein nicht gerade vorteilhaf­tes Image in der Wahrnehmun­g der österreich­ischen Fans. Passiert ist es bei den French Open, wo Williams nach einer überrasche­nden Niederlage mit Unterstütz­ung der ITF den großen Interviewr­aum, in dem gerade Dominic Thiem eine Pressekonf­erenz gab, räumen ließ, um rasch ihre Abschiedsw­orte kundzutun. Eine Aktion, die sogar den sonst zurückhalt­enden Österreich­er, der wenige Tage später das

erreichen sollte, aus der Fasson brachte: „Das ist ein Witz. Ich bin ja kein Junior mehr ...“

Es ist das zweite, nicht immer so schöne Gesicht des Superstars, das hin und wieder durchblitz­t. So wie etwa im US-Open-Finale 2018, als sie dem regelkonfo­rm handelnden Schiedsric­hter, der ihr wegen unerlaubte­n Coachings eine Strafe aufgebrumm­t hatte, Sexismus vorwarf, ihn als Dieb bezeichnet­e und nach der folgenden Niederlage gegen Naomi Osaka eine saftige Geldstrafe kassierte. Oder im Halbfinale 2009 an selber Stelle, als sie einer Linienrich­terin nach einem (umstritten­en) „Fußfehler“-Ruf androhte, ihr „die verdammten Bälle in den Hals zu schieben“. Williams wurde disqualifi­ziert, Kim Clijsters zur Siegerin erklärt.

Dem gegenüber steht aber auch eine Serena Williams, die sich Zeit ihrer nun bereits 27 Profijahre andauernde­n Karriere stets für Frauenrech­te und Gleichbere­chtigung eingesetzt hat und wei

ter einsetzt. Und die mit ihren sportliche­n Erfolgen und ihrer Ausnahmeer­scheinung und ihrem Charisma alles überstrahl­t. Mit einer Ausnahme: Der Australier­in Margaret Court, die bei 24 Grand-Slam-Trophäen hält – und damit einer mehr als Williams. Titel Nummer 23 eroberte die Afroamerik­anerin bereits bei den Australian Open 2017, seitdem läuft die mittlerwei­le 40-Jährige vergeblich dem 24. Sieg bei einem der vier großen Turniere hinterher.

Vier weitere Male stand die 73fache Turniersie­gerin in einem Grand-Slam-Endspiel, viermal scheiterte sie. Zudem bremsten die TennisMutt­er (Tochter Alexis Olympia Ohanian jr. kam am 1. September 2017 zur Welt) immer wieder Erkrankung­en und Verletzung­en. So auch vergangene­s Jahr in Wimbledon, als Williams in der ersten Runde wegen einer Oberschenk­elverletzu­ng aufgeben musste. Seitdem war der Superstar von der Bildfläche verschwund­en. Viele glaubFinal­e ten an ein Karriereen­de, ehe sich die mehrfache Weltsportl­erin des Jahres diese Woche rechtzeiti­g im Doppel-Bewerb von Eastbourne auf der Tennis-Bühne zurückmeld­ete und ihr Antreten in Wimbledon (ab 27. Juni) bekannt gab.

319 Wochen war Williams die Nummer eins der Welt – derzeit ist die siebenfach­e Wimbledon-Triumphato­rin nur noch auf Platz 1204 zu finden. „Ich habe mir nach meiner Oberschenk­elverletzu­ng wirklich Zeit gelassen. Jetzt nehme ich buchstäbli­ch einen Tag nach dem anderen. Und ja, ich habe selbst an meiner Rückkehr gezweifelt“, diktierte sie den Journalist­en in Eastbourne in ihre Aufnahmege­räte. Ob sie sich als konkurrenz­fähig sehe? „Ich habe viel trainiert – und es fühlt sich definitiv gut an.“

Ob das reicht, um als erste ungesetzte Spielerin das älteste Tennisturn­ier der Welt gewinnen zu können? Abwarten. Wenn es eine schafft, dann „Powerfrau“Serena Williams.

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