Ein in jeder Hinsicht diverser Tag
Gleich drei nicht muttersprachlich deutsche Teilnehmer und eine bärtige Autorin würfelte das Los für den zweiten Lesetag zusammen. Es wurde ein kurzweiliger, bunter und preisträchtiger Marathon.
Man bekommt alles so direkt mit!“, freut sich die Germanistik-Studentin, die gerade vom Public Viewing im Lendhafen herauf ins ORF-Landesstudio gewechselt ist. Hier sieht sie im Garten jetzt den Technikern zu, wie sie eine Autorin vor ihrem Leseauftritt verkabeln, dort holt sich jemand ein Brötchen aus dem Café, plaudern zwei Fotografen miteinander. Durch das plötzliche Folgetonhorn-Geheule der benachbarten Hauptfeuerwache lässt sich niemand irritieren, schon geht es weiter mit einer Lesung.
Der zweite Lesetag hatte es in sich. Kaum je war das Gebotene bisher so divers gewesen. Gleich drei nicht muttersprachlich deutsche Teilnehmer dominierten den Vormittag, alle ernteten Wohlwollen und auch Lob. Der in Bagdad geborene, in der Schweiz lebende und von Michael Wie
derstein eingeladene Usama Al Shahmani thematisierte in „Porträt des Verschwindens“Heimat und Herkunft – ähnlich wie der Rumänen-Deutsche Alexander Bulucz am Vortag. „Der erste Text, den ich eine Erzählung nennen würde“, befand Klaus Kastberger, während sein Kontrahent Philipp Tingler urteilte: „Der Text ist so konventionell, als hätte ihn ein Algorithmus geschrieben.“
Tingler hatte mit dem gebürtigen Iraner Behzad Karim-Khani ebenfalls einen
Schriftsteller eingeladen, für den Deutsch die zweite Sprache ist. Mit „Vae victis“las er die gewalttätige Geschichte einer Isolationshaft, die als drehbuchhaft, Genreliteratur und wechselnd „zwischen unglaublicher Härte und faszinierender Zartheit“(Tingler) klassifiziert wurde. Klaus Kastberger war hingegen „zu viel Testosteron in diesem Text“.
Eröffnet hatte den freitägigen Lesemarathon eine ganz andere Art von „Isolation“: Die Slowenin Ana Marwan
zeichnet laut Mara Delius im Beitrag „Wechselkröte“ein „großartiges, feinsinniges Eremitenporträt“einer Frau, die sich vor der Welt zurückzieht. „Es wird sprachlich getanzt in diesem Text“, sagte Insa Wilke, Kastberger, der die Autorin eingeladen hatte, sprach von der „Spannung zwischen Idylle und Horror“in diesem „Gänsehauttext“.
Auch der Nachmittag wurde von zwei Frauen bestritten: Nach dem von einigen Juroren als überladen be
zeichneten Beitrag „Sand“der Burgenländerin Barbara Zeman schloss sich der Kreis mit dem schrägen Vortrag der deutschen Autorin und Performerin Mara Genschel. Ihr „Fenster zum Hof “las sie mit amerikanischer Sprachfärbung und aufgeklebtem Schnurrbart. Es ist ein Klagenfurt-Text, der den Bewerb selbst zum Thema macht. Die Bärtige war die erste Teilnehmerin, die sich bei der Diskussion zu Wort meldete: „Wer sagt, dass das eine Performance ist?“