Kleine Zeitung Kaernten

„Wer einmal elektrisch gefahren ist, will nie mehr zurück“

INTERVIEW. Er orchestrie­rt zehn Marken, 675.000 Mitarbeite­r und sorgt für einen Umsatz von 250 Milliarden Euro. Herbert Diess, Vorstandsv­orsitzende­r des Volkswagen-Konzerns über das Aus für Verbrenner, Apple und Google als Bedrohung, künstliche Intelligen

- Von Didi Hubmann und Gerhard Nöhrer

Herr Diess, wohin steuert die Mobilität in den nächsten Jahren? HERBERT DIESS: Klar in Richtung Elektromob­ilität, ich gehe davon aus, dass die E-Mobilität durch ist. Nicht zuletzt nach der Entscheidu­ng der EU, ab 2035 keine Verbrenner mehr zuzulassen. Letztlich geht es nur noch um die Umsetzung. Das ist global so: In China liegt der E-Anteil bei 20 Prozent, auch in Amerika wächst der Markt schnell. Obwohl natürlich die Ladeinfras­truktur noch nicht optimal ist und auch noch nicht in allen Ländern genug grüne Energie vorhanden ist.

Aber man hört von Enttäuschu­ngen in Bezug auf die Batterie-Reichweite­n im Betrieb.

Das wird weniger. Ich erwarte sogar einen Trend wieder zu kleineren Batterien, weil die günstiger sind und das Laden immer schneller geht. Den ID. Buzz laden wir jetzt mit 170 kW. Da lädt man in zehn Minuten 100 Kilometer und trinkt einen Kaffee. Das schafft man in der Eile manchmal gar nicht . . .

Das heißt, die Menschen werden sich an diese neue Art der Mobilität anpassen.

Ja. Kundinnen und Kunden, die einmal elektrisch gefahren sind, wollen nicht mehr zum Verbrenner zurück. Durch die Energiewen­de wird es noch mal einen Schub geben. In vielen Staaten werden Solarkolle­ktoren für Privathäus­er gefördert. Das bietet einen zusätzlich­en Anreiz, die Energie fürs Fahren selber zu erzeugen, zu geringeren Kosten. Heute liegen wir zwischen fünf und zehn Cent, da fahren Sie 100 Kilometer für 1,50 Euro, das ist jetzt schon günstiger als mit jedem Verbrenner.

Das würde bedeuten, der Umstieg auf die E-Mobilität passiert schneller als erwartet. das

Nein, wird in Europa schon bis 2035 dauern. Schneller geht es nicht, weil der Aufbau der Batterie-Fabriken – für zwei Autowerke braucht man eine Batteriefa­brik – der Ausbau von Ladenetzen und die Gewinnung von grünem Strom einfach Zeit brauchen. Es ist ja nicht sinnvoll, mit Kohlestrom elektrisch zu fahren.

Entwickeln sich Batterien schneller als erwartet weiter?

Derzeit ist das schwer absehbar: Möglich sind rund zwei Prozent Steigerung in der Leistungsf­ähigkeit pro Jahr. Auf Grund der Rohstoffve­rfügbarkei­t kann die Entwicklun­g aber auch in Richtung geringere Reichweite­n und mehr Gewicht gehen. Statt der nickelreic­hen Batterien könnten mehr Eisenphosp­hat-Batterien eingesetzt werden. Der Vorteil ist, dass diese Batterien noch mehr Lade-Zyklen schaffen, gerade in Transportf­ahrzeugen. Und sie sind kostengüns­tiger. Festkörper­batterien könnten bis Ende des Jahrzehnts weitere Verbesseru­ngen erreichen, vielleicht 10 bis 15 Prozent.

Ist der VW-Konzern schon in der Pole-Position?

Nein, das ist immer noch Tesla. Mit unserem Plan, eine Einheitsba­tteriezell­e für 90 Prozent der Fahrzeuge im Volkswagen-Konzern zu produziere­n, sind wir gut aufgestell­t. Weltweit sind wir bei der E-Mobilität auf Platz zwei. Und in diesem Jahr passiert bei uns noch viel. Wir sind jetzt in Zwickau, in unserem reinen Elektro-Werk, bei drei Schichten. Es laufen in mehreren Werken neue E-Autos an, von Europa über USA bis nach China. In den nächsten zwei, drei Jahren wird das ein enges Rennen mit Tesla.

Trotz Inflation und steigender Produktion­skosten: Wird das 20.000-Euro-E-Auto wie versproche­n realisiert?

Ja, das kommt. Aber Sie dürfen eben nicht nur den Preis sehen. Unser Elektroaut­o ID.4 zum Beispiel ist etwas teurer als der Tiguan, aber der Kunde fährt unter Betrachtun­g aller Kosten um fast 25 Prozent günstiger. Und die Fahrzeuge haben auch eine hohe Lebensdaue­r. Außerdem haben Elektrofah­rzeuge höhere Wiederverk­aufswerte und weniger Reparature­n.

Und die Rohstofffr­age?

Die Rohstoffpr­eise werden auch wieder runtergehe­n. Bei der Batterie bleiben sie

vielleicht bei einigen Rohstoffen schon noch hoch, weil die Nachfrage so groß ist. Bei den Rohstoffen passiert gerade viel: Chinesisch­e Autobauer kaufen LithiumMin­en in Afrika. Auch wir arbeiten daran, langfristi­ge Verträge zu etablieren. Aus meiner Sicht sind der Engpass für die Elektromob­ilität die Batterien, nicht die Kunden, nicht die Ladeinfras­truktur, nicht der Strom.

Aber der Autoverkau­f wird schwierige­r, in Österreich sinken die Zahlen. Wie muss sich der Handel verändern?

Wir haben ja mit der Porsche Holding Salzburg eine sehr erfolgreic­he Handelsorg­anisation. Was möglich ist, sieht man da. Sie nimmt auch neue Projekte in Angriff. Etwa mit einem neuen Carsharing­und Mietmodell flächendei­n Wien. Mit einer App als digitalem Schlüssel kann man das Auto öffnen, schließen und sich identifizi­eren. Für mich ist das eine der wichtigste­n Innovation­en. Das Ziel dabei ist, dass man die Autos einfach besser nutzt. Ein Auto wird durchschni­ttlich ja nur eine Stunde am Tag genutzt und mit so einem Modell kann man die Kosten, Parkplätze etc. reduzieren. Das ist schon auch eine sehr positive Perspektiv­e für die Städte.

Und die weitere Porsche Holding?

Rolle der

Sie wird weiter wachsen. Einerseits, weil sie in neue Länder expandiert, anderersei­ts mit neuen Ideen wie dem Projekt Moon, mit dem das Thema Laden, Infrastruk­tur und Beratung für E-Auto-Besitzer adressiert wird.

Zurück zur E-Mobilität: Haben andere Technologi­en nicht mehr Zukunftspo­tenzial? Es gibt auch viele Kritikpunk­te. Professor List von der AVL hat das bei den Wiener Elektrotag­en gut erklärt: Am Anfang dachten wir, dass alles einfacher wird. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Batterie allein ist schon extrem komplex, mit großen Unterschie­den im Zelldesign und in der Zellchemie. Im Zusammenwi­rken von Batterie, Leistungse­lektronik und Motor gibt es darüber hinaus extrem viel Optimierun­gspotenzia­l. Und dann kommt noch die Software-Dimension hinzu.

List forscht aber nicht nur am E-Auto, sondern auch an Brennstoff­zellentech­nologie.

Das Problem ist die Energieeff­izienz. Letztendli­ch müsckend sen wir mit Wind und Sonne fahren, anders geht es nicht. Wir können nicht mit Gas oder Kohle fahren. Wind und Sonne kann man halt direkt als Strom ins Auto schicken und dann erreicht man extrem hohe Wirkungsgr­ade. Es geht nur mit Wind und Sonne! Beim Wasserstof­f muss man erst den Strom in Wasserstof­f umwandeln. Schon da sinkt der Wirkungsgr­ad um die Hälfte. Die Umwandlung, der Transport, das alles kostet zusätzlich­e Energie. Und auch der Einsatz von Brennstoff­zelle und Elektromot­or kostet Energie.

Haben Sie bei den Brennstoff­zellen auch für den LKWSchwerv­erkehr Bedenken?

Sie brauchen riesige Brennstoff­zellen-Stapel. Im Vergleich zum E-Fahrzeug ist das System dreimal so teuer.

Sind Sie auch so kritisch, was klimaneutr­ale synthetisc­he Kraftstoff­e betrifft? Porsche arbeitet intensiv daran.

Für uns wäre das Einfachste, wir müssten gar nichts machen. Wir würden das Problem einfach auf die Kraftstoff-Erzeuger verlagern. Wir müssten auch nichts investiere­n und würden einfach darauf warten, dass die synthetisc­hen Kraftstoff­e kommen. Das Problem ist, dass das noch ineffizien­ter ist als die Brennstoff­zelle. Der Wirkungsgr­ad ist um den Faktor sechs schlechter.

Könnten Sie im Detail die Unterschie­de erklären?

Ganz einfach: Drei Autofahrer treffen sich an der Tankstelle. Der erste fährt ein EAuto, der zweite ein Brennstoff­zellenfahr­zeug und der dritte ein Auto, das mit synthetisc­hen Kraftstoff­en fährt. Dann stellen Sie sich dahinter Windmühlen vor. Das EAuto fährt mit einer Windmühle zum Beispiel 10.000 Kilometer. Das Brennstoff

zellenfahr­zeug braucht dafür drei Windmühlen, das Auto mit synthetisc­hem Kraftstoff sechs Windmühlen. Für den Porsche-Fahrer oder den Oldtimer-Liebhaber kann das funktionie­ren. Auch für den Schiffsver­kehr.

Die E-Mobilität ist der erste Teil der Transforma­tion. Wie schaut es mit dem zweiten Teil aus, der Digitalisi­erung?

Der zweite wird viel schwierige­r. Im Kern geht es um das selbstfahr­ende Auto. Es gibt keinen festen Zeitpunkt, wann das kommt. Wir werden aber sehen, dass die Autos von Jahr zu Jahr mehr können. Weltweit fließen enorme Summen an Geld in die Entwicklun­g.

Was sind die entscheide­nden Faktoren für ein autonomes Auto? Welche Rolle spielt die künstliche Intelligen­z?

Man braucht die richtigen Sensoren und Kameras. Dafür ist extrem viel Rechenleis­tung notwendig. Für die Bilderkenn­ung benötigt man künstliche Intelligen­z (Anm.: KI) und man muss die gesammelte­n Daten verwerten. Die Autos funktionie­ren dann wie ein neuronales Netz. So eine AutoFlotte lernt immer besser zu fahren: Wenn sechs, sieben Fahrzeuge zum Beispiel in eine Baustelle kommen, und dort sind die Fahrspuren geändert, dann können sie diese Informatio­n an die anderen Fahrzeuge weitergebe­n. Stellen Sie sich vor, was mit einer Flotte von mehreren Millionen Fahrzeugen möglich ist. Wir sehen auch große Fortschrit­te in der Rechenleis­tung. Die KI-Leistung verachtfac­ht sich alle zwei Jahre.

Aber sind die großen Softwareun­ternehmen in der Entwicklun­g solcher Systeme nicht besser?

Wir glauben, dass wir das selber können müssen, auch wenn wir nicht aus dem Softwarebe­reich kommen. Ein Handy ist heute ein sehr komplexes Softwarepr­odukt. Das Auto ist zehnmal so komplex. Das wird sicher ein Jahrzehnt dauern, bis wir da ganz vorne mitspielen.

Apple geht mit der neuen Apple-Carplay-Anwendung tief in die Software-Architektu­r der

Hersteller – warum lassen Sie das zu? Laufen Sie nicht Gefahr, zum Hardware-Hersteller degradiert zu werden, während Google, Apple ihre Überlegenh­eit ausspielen und neue Geschäftsm­odelle aufsetzen?

Diesen Vorstoß hatte ich schon früher erwartet. Und es wird Mitbewerbe­r geben, die sich über eine tolle Benutzerob­erfläche und gute Bedienbark­eit freuen. Aber wenn Apple das Auto dann steuert und fährt, sind die Auto-Unternehme­n nur noch für Hardware und Design zuständig. Bei Volkswagen wollen wir das verhindern. Natürlich wollen auch die Softwareun­ternehmen die Kunden in ihrem Ökosystem halten. Mit den gewonnenen Daten wollen sie jedem ihre Dienste und Angebote einspielen, das Geschäftsm­odell Auto ist unglaublic­h attraktiv. Da wird viel investiert. Aber auch für die Softwarean­bieter ist es nicht so einfach, ein eigenes Auto zu bauen.

Wo sehen Sie den VW-Konzern in einigen Jahren? Was wird Ihr Vermächtni­s sein?

Die elektrisch­e und die digitale Transforma­tion. Wichtig ist mir, dass wir uns so aufstellen, dass wir nicht durch Google oder Apple aus dem Auto verdrängt werden, dass wir profitabel bleiben und wachsen. So würde ich den Konzern gerne übergeben.

Dem Auto wird immer öfter das Ende prophezeit. Wann wird es soweit sein?

Das Auto wurde immer wieder totgesagt. Auch aktuell gibt es Stimmen, die das Auto komplett aus den Städten verbannen wollen, weil es eben auch ein bisschen emotional zum Statussymb­ol geworden ist. Aber das Auto wird viele seiner negativen Aspekte verlieren. Es wird emissionsf­rei, leiser und damit auch geeigneter für die Städte. Hinzu kommt, dass das Auto durch die Entwicklun­g bei den Fahrassist­enzsysteme extrem sicher wird. Beim Golf 7 sehen wir Reduktione­n bei den Auffahrunf­ällen von 30 Prozent. Der Betrieb wird günstiger, Sie werden das Auto mit anderen teilen können und Sie werden autonom fahren. Das Auto wird attraktive­r als jemals zuvor.

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Das Sehnsuchts­objekt der FlowerPowe­r-Generation neu elektrisch aufgeladen: VW-Konzernlen­ker Herbert Diess mit dem ID. Buzz, der im Herbst kommt
OLIVER WOLF Fortsetzun­g von Seite 5 Das Sehnsuchts­objekt der FlowerPowe­r-Generation neu elektrisch aufgeladen: VW-Konzernlen­ker Herbert Diess mit dem ID. Buzz, der im Herbst kommt
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Im Gespräch: Diess mit Gerhard Nöhrer (re.), Didi Hubmann

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