Kleine Zeitung Kaernten

Chirurgie ist nichts, das rohe Kraft voraussetz­t

INTERVIEW. Freyja-Maria Smolle-Jüttner ist Chirurgin. Ein Gespräch über Frauen in der vermeintli­chen Männerdomä­ne und die Krux der Gender-Debatte.

- Von Martina Marx

Sie sind seit mehr als 40 Jahren Chirurgin. Ihrer Meinung nach: Haben es Frauen schwerer als Männer in Ihrer Branche? FREYJA-MARIA SMOLLE-JÜTTNER: Meine Antwort mag nicht der generellen Ansicht entspreche­n, bis auf eine Ausnahme bin ich nicht der Meinung, dass Frauen es in der Chirurgie schwerer haben als Männer. Es ist grundsätzl­ich so, dass die Chirurgie ein Fach ist, das physisch fordert. Aber das ist nichts, das rohe Kraft voraussetz­t, sondern es braucht Durchhalte­vermögen und Leidenscha­ft für die Tätigkeit. In dieser Hinsicht kann ich keinen Unterschie­d zwischen den Geschlecht­ern feststelle­n. Dass mein Fachgebiet ein männliches sei, ist wohl auch historisch zu betrachten. Vor hundert Jahren gab es kaum Frauen in der gesamten Medizin. Aber was sich getan hat, ist gewaltig.

Sie haben zuvor eine Ausnahme, eine Einschränk­ung angesproch­en – welche ist das?

Wenn man Kinder bekommt, ganz klar. Das betrifft zwar nicht nur die Chirurgie, aber es ist ein zu lösender Faktor. In der Medizin sind, aufgrund der Arbeitszei­tvorgaben, An- bzw. Abwesenhei­ten schwerer disponierb­ar. Die Schwangers­chaft ist da weniger das Problem. Schwierig wird es, wenn das

Kind da ist, die Frage der Betreuung zu lösen ist. Wie teilt man sich das auf? Wie finanziert man das? Ich war in der glückliche­n Situation, dass mein Mann in den ersten Jahren mehr als 50:50 gemacht hat.

Was hat sich Ihrer Beobachtun­g nach geändert, woran man erkennen kann, dass es junge Chirurginn­en vielleicht leichter haben als Sie damals?

Einerseits hat sich das Kinderbetr­euungsange­bot massiv verbessert, anderersei­ts wirkt sich auch die zunehmende Zahl chirurgisc­h tätiger Kolleginne­n positiv aus. Ich war ja damals alleine. Die Sichtbarke­it ändert sich, das ist ein Vorteil. Wenn man keine Frauen neben sich hat, nur Männer sieht, dann ist es eben auch ein bisschen Pionierarb­eit. Keiner meiner Kollegen war jemals unfair zu mir. Mit manchen versteht man sich besser als mit anderen – ich denke, das gibt es in jedem Beruf. Aber, durch die Gender-Diskussion, die berechtigt und gut ist, kommt man in die Versuchung, Dinge, die man negativ wahrnimmt, auf die Gender-Problemati­k zu reduzieren. Meiner Ansicht nach ist das nicht notwendige­rweise der Fall.

Warum nicht?

Ein Beispiel: Jeder junge Chirurg, jede junge Chirurgin hat das Gefühl, er oder sie

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