Pionierin, Rekordfrau und Ehegattin
ÖFB-Rekordspielerin Sarah Puntigam ist auch privat Vorbild für viele Mädchen.
Ein Blick auf die Statistik alleine genügt, um Sarah Puntigams Rolle im österreichischen Frauen-Nationalteam zu unterstreichen. Seit Gründung der Nationalmannschaft 1990 wurden 203 Länderspiele ausgetragen – bei 119 von diesen stand die 29-Jährige auf dem Spielfeld. In mehr als jedem zweiten
der Geschichte war die Südoststeirerin also mittendrin, statt nur dabei. „Ganz ehrlich, das hätte ich mir so nie vorstellen können“, sagt Puntigam. 2009 feierte sie ihr Team-Debüt. „Ich bin halt sehr jung dazugekommen. Damals war die Dichte an Spielerinnen noch nicht so gegeben, so und in dieser Form wäre das heute wahrscheinlich gar nicht mehr möglich.“
Die Bedingungen im Frauenfußball haben sich in Österreich „extrem verändert“, sagt die Südoststeirerin: „Es ist jetzt viel professioneller als noch vor ein paar Jahren.“Die Europameisterschaft in
England, die Österreich am 6. Juli in Manchester mit dem Spiel gegen die Gastgeberinnen eröffnet, wird auch für die erfahrene Rekordnationalteamspielerin etwas Besonderes. „Das mediale Interesse an unserem Team ist so viel größer als noch bei der EM 2017. Es ist ein Highlight, auf das wir lange hingearbeitet haben.“Jetzt, so sagt sie, sei sie aber noch „ganz cool. Beim Abschlusstraining, wenn man dann im Old Trafford ist und sich vorstellt, wie das sein wird, wenn es voll ist ... dann wird die Anspannung schon noch kommen.“
Eine ganz andere Anspannung ist bei ihr vor wenigen Wochen abgefallen. Puntigam hat ihre Partnerin Genessee in der Südsteiermark geheiratet. Viele Mitspielerinnen des Nationalteams waren als Gäste dabei. „Das hat mir viel bedeutet. Ich kenne viele Mitspielerinnen schon jahrelang. Für uns als Paar war das ein perfekter Tag“, sagt sie.
Ihre Zelte in Frankreich bei Montpellier hat die Mittelfeldspielerin nach vier JahLänderspiel
ren abgebrochen, nach der EM geht es für sie zurück in die deutsche Bundesliga zum 1. FC Köln. Einerseits, „weil ich die sportliche Entwicklung in Deutschland als sehr positiv wahrgenommen habe. In Frankreich war das nicht so der Fall, wie ich es mir erhofft habe.“Und andererseits wollte sie „näher Richtung Heimat kommen“.
Besonders: Auch ihre USamerikanische Ehefrau Genessee, selbst Profi-Fußballerin, wechselt zum 1. FC Köln. „Es war eines unserer Ziele, dass wir gemeinsam in eine Stadt und zu einem Verein gehen können. Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir eine Fernbeziehung nicht unbedingt wollen. Köln hat da für uns gut gepasst.“Die deutsche Metropole gilt nicht nur als Karnevalshochburg, sondern auch als weltoffen, vor allem für die
LGBTQ+-Community. Offenheit, die Puntigam seit ihrem „Coming-out“im Jahr 2019 in Frankreich vermisst hat. „Ich habe nie Probleme gehabt, seitdem ich meine Beziehung zu Genessee damals öffentlich gemacht habe. Aber in Frankreich wird einfach nicht über das Thema gesprochen, es wird geschwiegen. In Deutschland und vor allem in Köln, kann jeder und jede so sein, wie er oder sie will. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn man vom Verein aufgenommen und akzeptiert wird. Das hat sicher auch einen Ausschlag für den Transfer gegeben.“
Bevor es nach Köln geht, wartet die EM. „Wir wollen im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen noch die Chance haben, ins Viertelfinale einzuziehen. Das ist unser Ziel. Und das ist realistisch“, sagt Puntigam, die auch in England auf einen großen Fanklub zählen kann. „Es werden ein paar mehr Leute mit Puntigam-Dress herumlaufen als noch 2017“, sagt sie lachend und träumt vom Tüpfelchen auf dem i nach Traumhochzeit und erfülltem Wunsch vom Transfer zum selben Verein für das frisch vermählte Ehepaar Puntigam: einer erfolgreichen Euro.