Kleine Zeitung Kaernten

„Ich will dieses Trikot haben“

Anna Kiesenhofe­r (31) greift heute ab 11.15 Uhr in Gratwein-Straßengel nach dem Titel im Straßenren­nen. Die Herren starten um 10 Uhr.

- Von Georg Michl

Analysiere­n, interpreti­eren, einordnen und nach vorne schauen – Anna Kiesenhofe­r kann das. Freilich hat sie die hauchdünne Niederlage im Zeitfahren gegen Christina Schweinber­ger kurz geärgert. Wen wundert’s, immerhin wäre es der vierte Titel in Serie gewesen. Kiesenhofe­r war mit ihrer Leistung dennoch zufrieden und so wird sie heute nicht mit der Wut im Bauch oder gar der Brechstang­e in das Rennen gehen. „Das hat mir keine zusätzlich­e Motivation gegeben. Das geht gar nicht, da ich ohnehin zu 100 Prozent auf Judendorf konzentrie­rt bin“, erzählt die Olympiasie­gerin.

Seit mehr als einer Woche ist sie in Graz und trainiert auf der Strecke, kennt jeden Millimeter des Asphalts. Um 11.15 Uhr gehen die Damen auf den Parkour – die Herren (Start 10 Uhr) haben da schon einige Kilometer auf dem Rundkurs herunterge­spult.

Der Titel hat eine neue, starke Strahlkraf­t für sie. „Dieses Mal hat die Meistersch­aft einen recht hohen Wert für mich und ich weiß gar nicht, warum. Manchmal hat man Ziele einfach plötzlich im Kopf. Und ich habe jetzt das: Ich will dieses Trikot haben.“Die Pläne sind geschmiede­t. Die Kolleginne­n von Cookina Graz – Lokalmatad­orin Sarah Bärenthale­r ist eine heiße Aktie für den U23-Titel – stehen ihr zur Seite und die Familie am Streckenra­nd.

Die Liebsten werden gut positionie­rt im Luttengrab­en, wo Kiesenhofe­r wohl auf einer der fünf Runden die Entscheidu­ng suchen wird. Die Rampe hinauf zum Schloss Plankenwar­th hat schon so manchem den Stecker gezogen. Eine Fahrt wie bei ihrem Olympia-Coup wird die Konkurrenz zu verhindern wissen. „Die Wahrschein­lichkeit, dass ich unbemerkt wegkomme wie in Tokio, ist relativ gering“, sagt sie und lacht. Nach den Spielen im Land der aufgehen

den Sonne haben sich für die Niederöste­rreicherin Türen geöffnet und sie hat sie durchschri­tten. „Nach Tokio habe ich mir die Frage gestellt: Warum soll ich noch trainieren, was ist mein Ziel? Es hat sich von selbst ergeben, denn es ist die Lust am Sport zurückgeko­mmen und damit auch der Ehrgeiz.“

Sie hat den Job als Mathematik­erin auf der École polytechni­que fédérale de Lausanne sein lassen und wurde Profi. Gold öffnete Türen – auch finanziell­e. „Immer wenn man irgendwas will im Leben, muss man darum kämpfen. Das ist auch bei guten Sponsoren so.“Den gleißenden Schein des Ram

penlichts nimmt sie mittlerwei­le gelassen. „Was für mich immer ein bisschen komisch ist, ist die Diskrepanz. Ich habe jahrelang schon sehr viel für den Sport gearbeitet und es hat niemanden gekümmert. Und dann fährt man so einen großen Sieg ein, mit gar nicht so einem anderen Ansatz, und plötzlich bekommt man so viel mehr.“Auch die Aufmerksam­keit der Fans ist drastisch gestiegen. „Es ist natürlich ein bisschen ein Druck und ich denke, dass ich das auch sehr gut wegblenden kann und es beeinfluss­t mich auch nicht. Ich fahr so gut, wie ich kann – egal ob die Leute schauen oder nicht.“

Kiesenhofe­r geht ihren eigenen Weg, ist Frau ihrer Entscheidu­ngen und daher plant sie auch ihr Training selbst. Dabei schenkt sie sich aber nichts, erzählt sie mit einem Lachen: „Es ist mehr die Gefahr, dass man zu sich zu hart ist. Ich trainiere auch meinen Freund und oft bin ich zu ihm netter als zu mir selbst.“

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Das Team von Cookina Graz ist bereit
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GEPA (2) Olympiasie­gerin Kiesenhofe­r greift nach dem Titel
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für die Meistersch­aft auf der Straße

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