Ein dreifach Hoch zu Ingeborgs Geburtstag
Exzellente „Wolkenflug“-Produktion: „Malina“in einer Inszenierung von Ute Liepold im Klagenfurter Burghof.
Der letzte Satz, „Es war Mord“, hat das Zeug zur Quizfrage nach Werk und Autorin. Und vermutlich gibt er selbst jenen, die die Frage beantworten können, Rätsel auf. Ingeborg Bachmanns Roman „Malina“ist heute so beunruhigend wie im Erscheinungsjahr 1971, und hinsichtlich der Beschreibung von Frausein, Identität, (innerem) Krieg und Frieden geradezu verstörend aktuell. Regisseurin Ute Liepold musste in ihre Bühnenfassung keine neuen Ersatzteile einbauen, sondern zeigt Bachmann pur. Und das ist, siehe letzter Satz, allemal den Versuch einer Entschlüsselung wert.
Aus den 330 Seiten der Dreiecksgeschichte hat Liepold einen packenden 75-Minuten-Abend gezogen, den drei Schauspielerinnen tragen, die die Sprache Bachmanns richtig vibrieren lassen. Geschmeidig bewegen sich Grischka Voss, Magda Kropiunig und Birgit Fuchs zwischen den Charakteren, finden sich im Chor, treiben mit dem aufgesplitteten Prosatext auseinander, sind abwechselnd Ich-Erzählerin, ihr viel beschäftigter Geliebter Iwan und der Militärhistoriker Malina, mit dem sie Wohnung und Schachbrett teilt.
Dass einzig Iwan durch das Aufsetzen einer Sonnenbrille optisch deklariert wird, macht den Spielraum für die Interpretation auf, Malina könnte die männliche Komponente im Bewusstsein der Erzählerin sein und keine reale Figur. Man hätte die Geschichte also auch verkopfen können. Diese Möglichkeit greift Liepold klugerweise nicht auf, was im Klagenfurter Burghof speziell im Kapitel „Der dritte Mann“– hier wird die Erzählerin in Albträumen von einer monströsen Vaterfigur verfolgt – für ungeheure Spannung und Tiefe sorgt.
Neben Passagen, die radikal an die Grenzen des Sagbaren gehen, schimmert Poesie, blitzt auf, was Marcel Reich-Ranicki als „Psychogramm eines schweren Leidens“zu lesen meinte – und lachen darf man auch. Etwa wenn die Erzählerin mit Schrecken bemerkt, dass sie zwar Kafka, Rimbaud, Freud, Adler oder Lenin bei 60, 25 oder 360 Watt in Wien, Paris oder Berlin gelesen hat, aber kein einziges Kochbuch. Und sich dann doch zwecks Pörkölt für Iwan an den Herd stellt.
Das aus sieben „Vorhängen“bestehende bewegliche Bühnenbild der Künstlerin Elisabeth Wedenig hat auch bei zunehmender Dunkelheit und raffiniert beleuchtet hohen Schauwert, wird von der Regie allerdings nur sparsam eingesetzt. Das ist aber der einzige Einwand an dieser exzellenten WolkenflugProduktion, die exakt am 96. Geburtstag von Ingeborg Bachmann Premiere hatte.
Malina. Burghof Klagenfurt. 29./30. Juni, 1. sowie 6.–9. Juli, 20.30 Uhr. Karten: Tel. (0681) 819 26 317. wolkenflug.at Hinweis: Aus organisatorischen Gründen besuchte die „Kleine“die Generalprobe.