Kleine Zeitung Kaernten

Immer mit Neugier und Instinkt

INTERVIEW. Cecilia Bartoli sorgt an der Staatsoper Wien für eine „Rossini Mania“. Kaum zu glauben: Es ist das Debüt der Weltklasse­sängerin am Haus.

- Von Michael Tschida

Cecilia Bartolis Debüt an der Wiener Staatsoper“. Liest man das, kann man es ja fast nicht glauben. 30 Jahre zu spät, oder?

CECILIA BARTOLI: Es hat zwar einige Jahre gedauert, aber darum freue ich mich jetzt umso mehr auf mein Debüt an der Staatsoper. Und dass ich dabei das Rossini-Fieber, das vor 200 Jahren die Stadt Wien über mehrere Wochen und Monate erfasste, feiern darf, erfüllt mich mit Stolz und großer Freude. Gleichzeit­ig ist es wunderbar, dass ich dies mit Freunden und Kollegen und unserem „Hoforchest­er“Les Musiciens du Prince aus Monaco tun darf. Wir mögen uns alle auch privat, wir musizieren seit vielen Jahren aus einem Geist, dadurch entsteht eine für mich wunderbare künstleris­che Qualität, die hoffentlic­h auch das Publikum der Staatsoper überzeugen wird.

Nicht nur wegen Ihrer langen Intendanz der Pfingstfes­tspiele. Das Publikum liebt Sie ja in aller Welt, aber Sie sind viel mehr eine Salzburger­in geworden als eine Wienerin. Warum eigentlich?

Na ja, wissen Sie, man kann ja den Verlauf seiner Karriere nicht wirklich steuern. Die Salzburger Festspiele jedenfalls haben mich erstmals 1993 verpflicht­et – in einer meiner damaligen Lieblingsr­ollen, der Despina in Mozarts „Così fan tutte“. Und gleich noch in einem Liederaben­d mit András Schiff. Da war ich noch sehr jung. Und dann haben sie mich immer wieder eingeladen. Die Idee, mich zur künstleris­chen Leiterin der Pfingstfes­tspiele zu berufen, stammte von Alexander Pereira. Bei ihm sang ich ebenfalls schon ganz früh, noch am Wiener Konzerthau­s, dann sehr intensiv am Opernhaus Zürich. So ergab halt das eine das andere.

Aber es ist ja nicht so, dass Sie nie in Wien sangen.

Nein, natürlich nicht. Ich erinnere mich an unzählige Konzerte in dieser Stadt, die mir unglaublic­h lieb ist, meistens im Musikverei­n – darunter mit den Wiener Philharmon­ikern und dem Concentus Musicus unter Nikolaus Harnoncour­t. Und gelegentli­ch auch im Konzerthau­s und mit sehr großer Freude immer wieder im Theater an der Wien, unter anderem auch mit Riccardo Muti in einer anderen Inszenieru­ng von „Così fan tutte“für die Wiener Festwochen. Nun freue ich mich, dass ich nach einem kurzen Auftritt in einem Galakonzer­t vor ein paar Jahren nunmehr auch „richtig“an der Staatsoper singen werde.

Cecilia Bartoli, geboren am 4. Juni 1966 in Rom. Mezzosopra­nistin. 1988 Durchbruch an der Pariser Oper. 1993 Debüt in Salzburg. Seit 2012 künstleris­che Leiterin der Salzburger Pfingstfes­tspiele. CD-Tipp: Cecilia Bartoli. Unreleased. Decca (2021). ceciliabar­tolionline.com

Beim Pfingstfes­tival feiern Sie alljährlic­h große Erfolge, heuer mit und um Rossinis „Il barbiere di Siviglia“. Nicht, dass ich es Ihnen wünsche, aber gibt es etwas, das Sie nicht können? Natürlich! (lacht) Aber im Ernst: Ich verwerfe immer viel mehr Ideen, als ich letztendli­ch realisiere. Ich habe mich in erster Linie immer bemüht, auf meine Stimme zu hören, das ist das A und O. Für den Rest folge ich meiner

und meinem kreativen Instinkt. Mein Glück ist, dass ich immer ein bis zwei Personen gefunden habe, denen das auch gefiel (lacht).

Im unwahrsche­inlichen Fall, dass Ihnen doch einmal etwas nicht gelingt: Was geht da in Ihnen vor?

Wenn ich mich wirklich leidenscha­ftlich für etwas interessie­re, suche ich so lange einen Weg, bis es klappt.

Egal, ob man Sie auf oder abseits der Bühne erlebt: Man trifft immer eine „Madame 100.000 Volt“. Woher rührt Ihre unendliche Energie?

Ich glaube, es liegt in den Genen. Und weil ich einfach wahnsinnig gerne mache, was ich tue: Musik ist doch meine größte Leidenscha­ft, nicht mein Beruf. Und natürlich liege ich als Italieneri­n dazwischen gern an einem weißen Mittelmeer­strand…

Die Oper von Monte-Carlo, deren Leitung Sie 2023 übernehmen, war die erste, die Anna Netrebko wieder auftreten ließ. Wie sehen Sie die Diskussion­en um Einladunge­n und Nichteinla­dungen russischer Künstlerin­nen und Künstler wegen des UkraineKri­egs allgemein und den Spezialfal­l Netrebko?

Ich denke, dass die Kunst und die Künstler keine Schuld an diesen schrecklic­hen Ereignisse­n in der Ukraine tragen. Deshalb kann ich, wie viele Meinungsma­cher vor mir, nur den Satz wiederhole­n: Es geht nicht um Puschkin, sondern es geht um Putin…

Was sind Ihre nächsten wichtigen Projekte?

Zuerst natürlich unsere verrückte Rossini-Woche an der Staatsoper in Wien. Dann die Wiederaufn­ahme der „Barbiere“-Produktion von Rolando Villazón bei den SalzNeugie­r

burger Festspiele­n diesen Sommer. Und im September die Präsentati­on meines ersten Spielplans als Direktorin der Opéra de Monte Carlo.

Sie sind 56 Jahre jung. Ihr Ziel für die nächsten 56 Jahre?

Sehr gerne möchte ich meine Kreativitä­t weiterhin in neue Projekte stecken und wie immer auch mit jungen Künstlern zusammenar­beiten und gemeinsam Ideen entwickeln und realisiere­n.

Ihr größter Wunsch? Für Sie selbst? Für die Welt?

Dass wir nach der CovidPande­mie – und vielleicht schon wieder vor den kommenden Wellen – zu einem etwas gelassener­en Miteinande­r und Auf-EinanderHö­ren zurückfind­en, und dass die Musik und unser kulturelle­s Erbe wieder stärker wahrgenomm­en und gepflegt werden.

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DECCA/WEBER Mezzosopra­nistin von Weltrang: Cecilia Bartoli bringt eine Großpackun­g Rossini in die Staatsoper
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