Duell zwischen Idealen und Ehrgeiz
Novak Djokovic schlägt heute als Favorit in Wimbledon auf. Im Rennen um den Grand-Slam-Rekord droht ihm aber erneut ein Rückschlag.
Ehe er am 13. Juni dieses Jahres von Daniil Medwedew abgelöst wurde, war Novak Djokovic insgesamt 373 Wochen die Nummer eins der Tenniswelt. Ein unglaublicher Rekord, der in den Statistiken auch einen schönen Platz findet. Was im Profitennis jedoch am meisten zählt, ist die Anzahl an gewonnenen Grand-SlamTiteln. Und auch da schien für den „Djoker“zu Beginn des Jahres alles angerichtet.
Wie seine Erzrivalen Roger Federer und Rafael Nadal hielt Djokovic bei 20 Major-Trophäen. Da Federer jedoch verletzt und auch schon in die Jahre gekommen ist und Nadal in Melbourne nur einmal (2009) triumphieren konnte, rechnete alles damit, dass „Nole“mit seinem zehnten Melbourne-Sieg und Grand-Slam-Titel Nummer 21 die Führung in diesem packenden Rennen übernehmen würde.
Doch es kam bekanntlich anders, es folgte jene sogar die Weltnachrichten füllende Impfposse, die schließlich mit der Ausweisung des Corona-Impfgegners Djokovic aus Australien endete. Nadal ließ sich nicht zweimal bitten, triumphierte in „Down Under“, legte Anfang Juni mit seinem 14. Paris-Titel nach und führt die Statistik nun mit 22-20-20 an.
Djokovic macht kein Hehl daraus, dass er dieses Rennen um jeden Preis gewinnen möchte, doch steht sich der 35-Jährige dabei wohl selbst am meisten im Weg. Zwar schlägt der sechsfache Wimbledon-Sieger, der heute als Titelverteidiger und in Abwesenheit von Medwedew (Spielverbot) und Alex Zverev (verletzt) auch als Nummer eins gesetzt den Tennis-Klassiker in London gegen den Südkoreaner Soonwoo Kwon eröffnet, als großer Favorit in das Turnier auf. Doch auch wenn er in Wimbledon triumphiert, türmt sich vor Djokovic bereits die nächste Hürde auf.
So gibt es für den 87-fachen Turniersieger, der eine Impfung nach wie vor kategorisch ausschließt, nach heutigem Stand keine Möglichkeit auf eine Einreise in die USA und somit auch keine Chance auf eine Teilnahme bei den US Open. Denn, um einen Fuß auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten setzen zu können, ist bis auf ganz wenige Ausnahmen eine Impfung nach wie vor Pflicht. Also keine Chance für Djokovic, in Flushing Meadows sein Konto an Grand-Slam-Titeln aufzufüllen. Für Nadal hingegen schon. Und wer weiß, ob der „Djoker“Anfang 2023 überhaupt nach Australien einreisen darf ...
Sollte dem Serben letztlich auf diese Weise der angepeilte Rekord durch die Lappen gehen, muss man dem Ausnahmekönner auf der einen Seite definitiv großen Respekt zollen, weil er zu seinen Idealen steht und dafür seinen sportlichen Ehrgeiz hinten anstellt. Auf der anderen Seite sind Statistiken gnadenlos – so wird in Zukunft in den Tennis-Almanachen hinter Djokovics Namen kein
Sternchen mit dem Hinweis „Zwei Grand Slams aufgrund von Einreiseverboten verpasst“zu finden sein.
Doch nochmals zurück nach Wimbledon. Dort zählt Djokovic bereits vor dem ersten gespielten Ball zu den großen Leidtragenden. Da heuer im Tennis-Mekka aufgrund des Ausschlusses aller russischen und weißrussischen Spieler von der ATP keine Punkte vergeben werden, verliert „Nole“auf alle Fälle seine aus dem Vorjahr eroberten 2000 Zähler. Auch dann, wenn er das Turnier erneut gewinnt. Im schlimmsten Fall könnte Djokovic damit im Ranking sogar auf Position sieben zurückfallen.