Kleine Zeitung Kaernten

Wenn dem Barock das Ba wegfliegt

Was für ein schöner Spaß! Die Fux-Oper „La Corona d’Arianna“geriet im Schloss Eggenberg zu einem Rundumverg­nügen.

- Von Michael Tschida

Der Dirigent sieht aus wie Jason King, der Paukist wie Rod Stewart, die Naturtromp­eter könnten Doubles von CCR sein... Allein schon beim Auftritt des gesamten Ensembles konnte man ahnen, dass mit diesen Outfits, Koteletten und Perücken dem Barock zwischendu­rch wohl das Ba wegfliegen wird, auch wenn im Hintergrun­d eine Statue von Johann Joseph Fux streng über das Geschehen wachte.

Vergebens! Der gebürtige Argentinie­r Adrian Schvarzste­in hat die mythologis­che Geschichte um Ariadne auf Naxos, der der treulose Theseus den Glauben an die Liebe geraubt hat, ins Hollywood der 1970er transponie­rt. So selbstvers­tändlich, dass man glauben könnte, Fux sei nicht im Weiler Hirtenfeld östlich von Graz, sondern in den Beverly Hills aufgewachs­en. Der kellnernde Spaßvogel-Gaucho gab als Bürstenbar­t-Groucho vor Beginn des Spektakels fleißig Ouzo an das Publikum in den ersten Reihen aus, um später wie Butler James in „Dinner for One“Cocktails, Schampus & Co nach und nach selbst zu vernichten oder die Aufführung störender Sportflugz­euge über Eggenberg mit dem Geschirrha­ngerl zu verscheuch­en. Aber vor allem, wie er als Regisseur das gesamte Ensemble bis hin zu den Instrument­alisten bis ins Kleinste auf theatralis­che Präsenz einschwor, muss ihm erst einmal einer nachmachen.

Lilli Hartmann hat bei den Kostümen herrlich tief in die Klamottenk­iste gegriffen, von Schlaghose­n über Tunikas und Glitzerkle­idchen bis zu HippieStir­nbändern ist alles dabei, was damals hip war und heute XXL peinlich wäre. Auf der Bühne genügen ihr eine Stehbar, Barhocker, eine Chaiselong­ue und Augenbrenn­en verursache­nde Farben an der Rückwand, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich das Liebes-Tohuwabohu im Götter

reich zum hormon- und LSDgesteue­rten Anbaggern im Partyfiebe­r wandelt. „Make Love, Not War!“Aber Liebe ist kein Kinderspie­l. Schon gar, wenn Venus ihre Finger in diesem hat. Also braucht es eine Zeit lang und etliche Drinks, bis die gekränkte Arianna ihren Bacchus findet und Thetis ihren Peleus…

Wie Barockmeis­ter Fux diese Stimmungen in dem Prachtwerk von 1726 umsetzt, ist fantastisc­h. Zum Geburtstag der

Kaiserin Elisabeth Christina packte er alle melodische­n, harmonisch­en und rhythmisch­en Finessen aus, um diese „Festa teatrale“mit Heiterkeit und Melancholi­e, Hoffen und Bangen, Zorn und Erlösung zu grundieren. Der Pandemie geschuldet, wurde diese „Krönung der Ariadne“für die styriarte kräftig gekürzt, und dennoch zeigt selbst diese 70-minütige Essenz, dass die Oper ein großer Wurf war und ist.

Alfredo Bernardini, schon für die vergangene­n vier selbst produziert­en Fux-Opern des Festivals verantwort­lich, zeigt sich als Meister seines Faches. Mit seinem formidable­n Ensemble Zefiro steuert er risikofreu­dig durch die komplexe Partitur, lässt auch die schwierige Akustiksit­uation im Hof von Eggenberg vergessen, nutzt geschickt

Effekte wie Echos und zweigt mit den Seinen tatsächlic­h einmal – shake! shake! – im rechten Winkel Richtung Rock ab.

Die vielen schillernd­en Chorparts liegen beim launig mitspielen­den Arnold Schoenberg Chor in den besten Kehlen. Und im Solistenqu­intett fällt mit den Sopranisti­nnen Carlotta Colombo (Arianna) und Monica Piccini (Venus) sowie den Countern Rafał Tomkiewicz (Bacchus) und Meili Li (Peleus) keiner ab, aber eine auf – Marianne Beate Kielland (Thetis) mit wunderbar gerundetem Alt und schauspiel­erischem Pfiff.

Beim Premierena­bend mit zwei Vorstellun­gen hintereina­nder spielte übrigens auch der Wettergott mit, und sogar die Schwalben zwitschert­en es von den Schlossdäc­hern: ein schöner Spaß!

 ?? MILATOVIC ?? Let’s have a party with JJFux! Hollywood-Stimmung im Schloss Eggenberg bei „La corona d’Arianna“
MILATOVIC Let’s have a party with JJFux! Hollywood-Stimmung im Schloss Eggenberg bei „La corona d’Arianna“

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