Wenn dem Barock das Ba wegfliegt
Was für ein schöner Spaß! Die Fux-Oper „La Corona d’Arianna“geriet im Schloss Eggenberg zu einem Rundumvergnügen.
Der Dirigent sieht aus wie Jason King, der Paukist wie Rod Stewart, die Naturtrompeter könnten Doubles von CCR sein... Allein schon beim Auftritt des gesamten Ensembles konnte man ahnen, dass mit diesen Outfits, Koteletten und Perücken dem Barock zwischendurch wohl das Ba wegfliegen wird, auch wenn im Hintergrund eine Statue von Johann Joseph Fux streng über das Geschehen wachte.
Vergebens! Der gebürtige Argentinier Adrian Schvarzstein hat die mythologische Geschichte um Ariadne auf Naxos, der der treulose Theseus den Glauben an die Liebe geraubt hat, ins Hollywood der 1970er transponiert. So selbstverständlich, dass man glauben könnte, Fux sei nicht im Weiler Hirtenfeld östlich von Graz, sondern in den Beverly Hills aufgewachsen. Der kellnernde Spaßvogel-Gaucho gab als Bürstenbart-Groucho vor Beginn des Spektakels fleißig Ouzo an das Publikum in den ersten Reihen aus, um später wie Butler James in „Dinner for One“Cocktails, Schampus & Co nach und nach selbst zu vernichten oder die Aufführung störender Sportflugzeuge über Eggenberg mit dem Geschirrhangerl zu verscheuchen. Aber vor allem, wie er als Regisseur das gesamte Ensemble bis hin zu den Instrumentalisten bis ins Kleinste auf theatralische Präsenz einschwor, muss ihm erst einmal einer nachmachen.
Lilli Hartmann hat bei den Kostümen herrlich tief in die Klamottenkiste gegriffen, von Schlaghosen über Tunikas und Glitzerkleidchen bis zu HippieStirnbändern ist alles dabei, was damals hip war und heute XXL peinlich wäre. Auf der Bühne genügen ihr eine Stehbar, Barhocker, eine Chaiselongue und Augenbrennen verursachende Farben an der Rückwand, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich das Liebes-Tohuwabohu im Götter
reich zum hormon- und LSDgesteuerten Anbaggern im Partyfieber wandelt. „Make Love, Not War!“Aber Liebe ist kein Kinderspiel. Schon gar, wenn Venus ihre Finger in diesem hat. Also braucht es eine Zeit lang und etliche Drinks, bis die gekränkte Arianna ihren Bacchus findet und Thetis ihren Peleus…
Wie Barockmeister Fux diese Stimmungen in dem Prachtwerk von 1726 umsetzt, ist fantastisch. Zum Geburtstag der
Kaiserin Elisabeth Christina packte er alle melodischen, harmonischen und rhythmischen Finessen aus, um diese „Festa teatrale“mit Heiterkeit und Melancholie, Hoffen und Bangen, Zorn und Erlösung zu grundieren. Der Pandemie geschuldet, wurde diese „Krönung der Ariadne“für die styriarte kräftig gekürzt, und dennoch zeigt selbst diese 70-minütige Essenz, dass die Oper ein großer Wurf war und ist.
Alfredo Bernardini, schon für die vergangenen vier selbst produzierten Fux-Opern des Festivals verantwortlich, zeigt sich als Meister seines Faches. Mit seinem formidablen Ensemble Zefiro steuert er risikofreudig durch die komplexe Partitur, lässt auch die schwierige Akustiksituation im Hof von Eggenberg vergessen, nutzt geschickt
Effekte wie Echos und zweigt mit den Seinen tatsächlich einmal – shake! shake! – im rechten Winkel Richtung Rock ab.
Die vielen schillernden Chorparts liegen beim launig mitspielenden Arnold Schoenberg Chor in den besten Kehlen. Und im Solistenquintett fällt mit den Sopranistinnen Carlotta Colombo (Arianna) und Monica Piccini (Venus) sowie den Countern Rafał Tomkiewicz (Bacchus) und Meili Li (Peleus) keiner ab, aber eine auf – Marianne Beate Kielland (Thetis) mit wunderbar gerundetem Alt und schauspielerischem Pfiff.
Beim Premierenabend mit zwei Vorstellungen hintereinander spielte übrigens auch der Wettergott mit, und sogar die Schwalben zwitscherten es von den Schlossdächern: ein schöner Spaß!