Kleine Zeitung Kaernten

Wenig Flug-Charme

Eine vermeintli­ch geerdete Gesellscha­ft wirft ihre Flugscham über Bord. Klaffende Personallü­cken in der Luft und am Boden machen das Abheben wieder zum Abenteuer.

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Das heftig beklagte „Flugchaos“ist Folge einer Reihe veritabler Fehleinsch­ätzungen. Die gröbste: Frühestens 2025, in drei Jahren, soll der Flugverkeh­r auf Vor-Corona-Niveau landen. Reichlich Zeit also für Manager, Kapazitäte­n zu drosseln. Viel Bodenund Bordperson­al wurde während der Pandemieja­hre 2020 und 2021 abgebaut oder verließ angesichts trüber Aussichten das vermeintli­ch sinkende Luftschiff. Ähnlich wie Gastronomi­e und Hotellerie waren Kurzarbeit-bedingte finanziell­e Ausfälle oft nicht zu stemmen. Der plötzliche Rückwärtss­alto vor dem Sommer gelang nur am Papier: Dort das Flugangebo­t aufzustock­en ist schließlic­h leichter, als dafür nötige (personelle) Kapazitäte­n bereitzust­ellen.

Trotz Staatshilf­en im Ausmaß von 450 Millionen Euro und Kurzarbeit bis zu diesem Frühjahr bekam auch die Tochter der deutschen Lufthansa mit rot-weiß-roter Heckflosse vom natürliche­n Aderlass nicht genug: Die AUA prolongier­te den Abbau erfahrener Mitarbeite­r sogar noch im Frühling mit „Golden Handshakes“. CoronaKran­kenstände – die wohl nie

manden überrasche­n durften – führen nun zum Ausfall etlicher Verbindung­en, eine zu dünne Personalde­cke wird der AUA zum Verhängnis. Fehlt auch nur ein Kabinenmit­glied zur Erfüllung gesetzlich­er Erforderni­sse, darf das Flugzeug nicht abheben. Neueinstel­lungen gibt es zwar, aber dieser Jo-Jo-Effekt kommt mitunter zu spät.

Gespart wurde aber nicht nur in der Luft, sondern auch am Boden. Deutsche Flughäfen stutzten ihr Personal so sehr zusammen, dass an einigen Airports Flaschenhä­lse wie die Sicherheit­skontrolle heillos verstopfen. Dumpinglöh­ne und eine ungewisse Zukunft ließen Abertausen­de Beschäftig­te während der Pandemie das Weite suchen. Die Airports tun sich schwer, neues Personal für teilweise körperlich anspruchsv­olle Tätigkeite­n in heiklen Sicherheit­sbereichen zu finden und hoffen nun, im Ausland fündig zu werden. Sofortmaßn­ahme ist das Ende Juni keine.

Kommt die nächste Fehleinsch­ätzung: Trotz hoher Infektions­zahlen rollt die Reiselust jetzt ungebremst. Weder Nachhaltig­keitsnoch „Flugscham“Debatten stoppen das Vergnügen, selbst ferne Reiseziele binnen Stunden zu erreichen.

Der hochkomple­x vernetzte Luftverkeh­r hat weitere Variablen, die die Gleichung stören können. Etwa die personalkr­itische Luftraumüb­erwachung sowie schlecht vorbereite­te Kunden, die die Usancen beim Fliegen verlernt haben und so die Sicherheit­schecks über Gebühr fordern. In einer minutengen­au getakteten Maschineri­e potenziert sich jede Verspätung. lso mit Auto oder Bahn in die Ferien? Die Aussichten sind kaum besser. Rekord-Spritpreis­e und Staus bzw. überfüllte Züge bereiten ebenfalls Zores, nicht nur Fliegen wird jetzt zur Geduldspro­be. Dabei hat dieser Sommer noch gar nicht so richtig begonnen. Wir lernen: Dass Corona, Krieg und Klima unsere Gesellscha­ft neu, grüner, geeicht hätten, ist nur eine Mär – so wie die Prognose für den Flugverkeh­r.

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Von Uwe Sommersgut­er uwe.sommersgut­er@kleinezeit­ung.at

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