Lisa Leitner über Tabuthema Essstörung im Profisport
Kanutin Lisa Leitner gibt Einblicke in die Hintergründe ihrer Karriere und wieso sie aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste.
Sie war 2019 in der Form ihres Lebens. Lisa Leitner krönte sich zur zweifachen U23-Vizeweltmeisterin und war aus der internationalen Kanu-Elite nicht mehr wegzudenken. Die Kärntnerin lebte ihren sportlichen Traum. Ehe sie ein absolutes Tabuthema dazu zwang, die Notbremse zu ziehen. Sie absolvierte zwei Saisonen lang mit einer Essstörung, allerdings nicht in der klassischen Form der Anorexie. „Es ist ein weitverbreitetes Thema, nicht nur bei Sportlerinnen, sondern auch bei Sportlern. Ich wollte das Gefühl der Leichtigkeit im Boot spüren. Dass sich die ganze Energie freisetzt“, erklärt Leitner und veranschaulicht, „dass ich am Ende nicht mehr im Wasser war. Es hat sich so angefühlt, als würde ich über das Wasser fliegen. Ich hatte noch so viel Kraft und mein Leistungsniveau war hoch, da ich enorm fit war. Die guten Resultate waren da, aber nach einem solchen Hoch kommt früher oder später das Tief“, gibt die 27-Jährige Einblicke in ihre Vergangenheit. Schlüsselmomente? Fehlanzeige.
Leitner verdeutlicht, dass sie
irgendwann an einem Punkt angelangt ist, „wann es nicht mehr gut gegangen ist. Wenn du immer mehr verbrauchst, als du zu dir nimmst, sagt der Körper einmal: stopp. Dann ging es im Sturzflug nach unten. Irgendwann schwinden alle Kräfte“, verriet die sympathische Glaneggerin.
Sie gibt ehrlich zu, „dass es sehr schwer war, aus diesem Strudel wieder herauszukommen. Es ging ständig bergauf und bergab. Und auch wenn es hart klingt, aber dieses Thema ist so offensichtlich. Es wird oft nicht hingeschaut und einfach akzeptiert. Das darf nicht sein“, unterstreicht Leitner. E s wurde alles zur Anstrengung, auch das Reisen, quasi jede Bewegung. Doch den Schlussstrich musste ich selbst ziehen. Mir fiel es relativ leicht, meine Karriere zu beenden, weil ich nichts mehr genießen konnte“, konkretisiert die Absolventin des Schulsport-Leistungsmodells Kärnten, die von ihrer Familie tatkräftig unterstützt wurde. „Sie haben sich Sorgen gemacht, waren aber immer für mich da, was das Wichtigste war. Für Angehörige ist es fast unmöglich, in diesem Zustand zu einem durchzudringen.“
In dieser Zeit entdeckte die Frohnatur die Leidenschaft für das Bergsteigen, Klettern und Paragleiten. „Das hat mir wieder den Kick gegeben, der mir im alltäglichen Nichtsportlerleben einfach gefehlt hat.“Im Winter 2019 verbrachte die Schwester von Kanu-Ass Mario Leitner drei Monate lang in Nepal. „Dort habe ich die Ausbildung zur Yogalehrerin absolviert, was mir total Freude bereitet hat.“
A propos strahlen: Leitner blüht in ihrem Masterstudium der Psychologie voll und ganz auf. „Das hat mir geholfen, weil ich immens viele Eindrücke bekommen habe. Mir geht es richtig gut. Der Kanusport war mein Leben, doch ich bin froh, jetzt ein anderes Leben leben zu dürfen.“