Kleine Zeitung Kaernten

Keine Ode an Odessa

- Julian Melichar

Die wichtigste ukrainisch­e Hafenstadt Odessa ist seit jeher ein Fall für sich. Eine Art Stadtstaat. Aufmüpfig gegenüber der Kiewer Zentralreg­ierung (von dieser als russophil etikettier­t), widerborst­ig gegen Einflüsse aus dem Kreml-Land.

Nicht von ungefähr wollen die Odessiten gerade ein Denkmal von Kaiserin Katharina loswerden. Vor einigen Jahren wurde bereits eine Lenin-Statue durch die Figur Darth Vaders aus Star Wars ersetzt. Ansonsten sind die Bewohner der struppigen Millionens­tadt immun gegen jegliche Veränderun­g, meint Fotograf David Staretz, der nun einen eindrucksv­ollen Bildband der Stadt vorlegt. Gemeinsam mit seiner russischen Freundin besucht er die Metropole seit vielen Jahren. „Wien, wie es nie war, aber am Meer“lautet der Untertitel des 300-Seiten-Schmökers (Fotohof Edition), der nicht mit großartige­n Kurztexten geizt.

Darin entwirft Staretz ein unprätenti­öses, klischeebe­freites, schnappsch­ussartiges SittenWimm­elbild der Stadt. Man taucht ein in eine ästhetisch­e, aber verfallene; mutige, aber prüde; aufgeschlo­ssene, aber rituelle Stadt der Gegensätze. Staretz besuchte Hochzeiten am Hafen, Hobby-Handwerker,

Herrenschn­eider, heimliche Helden im Hinterhof. Menschen, die nichts besser können, als einfach nur zu leben. Und genau deswegen will Staretz auch, wie er im Vorwort sagt, nicht von einer Ode an Odessa sprechen. Dito! Das ist eine Hymne an das Leben. Gut, dass im Krieg daran erinnert wird.

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