Erdog˘ an setzt auf Putin
In neun Monaten hat der türkische Präsident Wahlen zu schlagen. Er braucht Geld. Viele fürchten, die Türkei könnte zum Blockadebrecher der Russland-Sanktionen werden.
Der türkische Präsident Erdog˘an braucht Geld für seine Wiederwahl. Mit den reichen Golfstaaten hat er jahrelange Streitigkeiten beigelegt und sogar den Prozess wegen des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi unter den Tisch fallen lassen, um sie zu Investitionen in der Türkei zu bewegen. Jetzt wendet sich Erdog˘an an Russland, das die Türkei gerne nutzen würde, um westliche Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges zu umgehen. Erdog˘ans Paradethema der vergangenen Wahlsiege – die türkische Wirtschaft – ist für ihn zu einem politischen Mühlstein geworden. Die Inflation liegt selbst nach staatlichen Angaben bei fast 80 Prozent, das ist der höchste Stand seit 1998. Nach unabhängigen Berechnungen ist die Geldentwertung mehr als doppelt so hoch. Schul- und Universitätsabgänger finden keine Jobs, selbst Stammwähler von Erdog˘ans Regierungspartei AKP murren. Zum ersten Mal seit seiner Machtübernahme vor 20 Jahren steht Erdog˘an einer geeinten Opposition gegenüber.
Nach jetzigem Stand würde Erdog˘an sowohl die Präsidentenwahl als auch die gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen verlieren. In den neun Monaten bis zum Wahltag will der Präsident das Blatt mithilfe von billigen Krediten und niedrigen Zinsen wenden. Dafür braucht er viel Geld, doch bisher hat er keine Quelle aufgetan, die reich genug sprudelt.
Hier treffen sich seine Interessen mit denen von Kremlchef Putin, der Handelspartner für die mit Sanktionen belegte russische Wirtschaft sucht. Bei seinem Gipfeltreffen mit Putin am Freitag im russischen Sotschi sagte Erdog˘an zu, einen Teil der russischen Energielieferungen an die Türkei künftig in Rubel zu bezahlen. Die beiden Länder wollen ihre Zusammenarbeit in allen Bereichen ausbauen. Auf Wunsch von Putin will Erdog˘an im September an einem Treffen der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“teilnehmen, einem Zusammenschluss asiatischer Länder unter Führung von Russland und China.
Erdog˘ans Regierung heißt auch russische Oligarchen willkommen, die sich im Westen nicht mehr blicken lassen können. Westliche Regierungen befürchten, die Türkei könnte zum Blockadebrecher der Russland-Sanktionen werden. Der türkische Präsident setzt darauf, dass er keine ernsthaften Gegenmaßnahmen aus Europa und den USA befürchten muss, weil sein Land zu wichtig für den Westen ist. Damit könnte er recht haben. Die Türkei hat mit dem Istanbuler Getreide-Abkommen gezeigt, wie zentral ihre Vermittlerrolle im Ukraine-Konflikt ist. Allerdings hat auch Putin kein Geld zu verschenken. Er versucht, die Gelegenheit zu nutzen, um der russischen Wirtschaft zu helfen und die Türkei noch abhängiger von Russland zu machen. och der Kreml kann Erdog˘an nicht den Wahlsieg finanzieren. Dass die Türkei ihre Wirtschaft durch eine engere Zusammenarbeit mit Russland retten kann, ist unwahrscheinlich. Erdog˘an wird weitersuchen müssen.
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