Wenn der „Opapa“gar nicht der echte ist
Aufrollung von Familientabus bei Lesung in Bücherei Heyn in Klagenfurt.
Kurz, aber sehr dicht und stellenweise sehr berührend, manchmal schockierend, interessant und Appetit machend auf mehr – das war die Lesung von Herwig Oberlerchner aus seinem Buch „Das Schweigen wird laut“in der Klagenfurter Bücherei Heyn, die gar nicht alle Interessenten, die gekommen waren, fassen konnte. Er freue sich, dass der Autor diesmal nicht als Stammkunde, sondern als Vortragender komme, meinte Büchereichef Helmut Zechner.
Aus der Sicht eines Vierjährigen, der in der Wohnküche der Urgroßeltern mit „LindeTierprozessionen“mit Figuren aus der Linde-Kaffeepackung eine heutige Familienaufstellung vorwegnahm, ließ der Autor die Zuhörenden teilhaben an einem Familienuniversum, das sich über vier Stockwerke erstreckte und so manches Geheimnis barg, das später zum transgenerationalen Tabu wurde. Den Schock des Buben beim Vernehmen, dass sein heiß verehrter „Opapa“aus dem Parterre, dem er in der Tierprozession immer den Bären zugeordnet hatte, gar nicht sein richtiger Großvater war, konnte man nachempfinden. Ebenso das Leid der Großmutter, die ihre Kinder an Tuberkulose verlor und selbst daran starb. Ergreifend dazu das tragische Kärntnerlied „I tua wohl“, interpretiert von der Cellistin Miramis Semmler-Mattitsch.
Dass die Texte in seelisches Leid, menschliche Ohnmachten und Ängste, in Schwermut, Einsamkeit, Todessehnsüchte und das Gefühl des Ungeliebtseins blicken lassen, wunderte nicht, ist Oberlerchner doch Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Klagenfurt. Der Abend sei auch ein Ritual im Gedenken an jene, die er geliebt oder nie kennengelernt habe und um die er trauere, meinte der Autor. Der Applaus zeigte, dass sich für Verlegerin Christina Bauschke, die seit 20 Jahren im Gurktal Memoiren, Lyrik und Kinderbücher in Handarbeit auflegt, das Wagnis gelohnt hat.