Kleine Zeitung Kaernten

Ein gar nicht freier Markt

Eingriffe in den Energiemar­kt sind derzeit unumgängli­ch. Wir sollten uns aber vor neuen Irrwegen hüten. Denn gerade für Energie haben wir schon zu viel Lehrgeld bezahlt.

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Je höher die Energiepre­ise klettern, je drängender die Not der Konsumente­n und der Betriebe wird, desto lauter ertönt der Ruf nach dem Staat. Und die Staaten sind entschloss­en, diese Rufe zu erhören: Der Bund hat eine Strompreis­bremse beschlosse­n. In der EU sollen eine Preisoberg­renze bei Strom und eine Sonderabga­be für Ölund Gaskonzern­e kommen.

Hat also der Markt wieder einmal versagt und daher ausgedient? „Die Liberalisi­erung des Strommarkt­es war ein schwerer Fehler“, sagt SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner. Man muss freilich ergänzen, dass es einen wirklich freien Markt bei Energie nie gab und auch nicht geben kann. Alle Kunden sind auf Energie angewiesen. Der Anbieterma­rkt ist kapitalint­ensiv und technisch komplex. Die Netzinfras­truktur gehört zur Daseinsvor­sorge und ist staatlich reguliert. Der weltweite Energiehan­del war immer geopolitis­che Verschubma­sse. Und die Konkurrenz der Energieträ­ger wird seit Jahrzehnte­n durch staatliche Ordnungspo­litik verzerrt, etwa durch Umlagen, Abgaben und gestützte Einspeiset­arife.

Dass jetzt alles getan werden muss, um die ökonomisch gefährlich­e Preisexplo­sion zu dämpfen, ist unbestritt­en. Zu groß ist das Risiko, dass reihenweis­e Betriebe unter der Last zusammenbr­echen. Zugleich müssen wir aber aufpassen, das ohnehin zu geringe Energieang­ebot nicht durch unbedachte Fesseln weiter einzuschrä­nken. Gefährlich wäre nämlich auch eine Robin-Hood-Romantik, wonach wir schon irgendwie ungeschore­n über die Runden kommen werden, wenn wir nur die unverdient­en Gewinne der „Reichen“abschöpfen und die Tresore plündern.

Zur Wahrheit gehört, dass billiges russisches Gas in rauen Mengen bisher eine tragende Säule unseres Wohlstands war. Diese Säule steht bis auf Weiteres, mindestens sehr lange, nicht mehr zur Verfügung. Neben kurzfristi­gen Staatshilf­en muss es daher einen langfristi­gen Umbau geben – zu den Erneuerbar­en. Und weil dieser Umbau nicht per Federstric­h geht, wartet vorerst eine Durststrec­ke, die uns Einschränk­ungen abverlange­n wird.

Es ist schön, wenn die EU Energiespa­rziele vorgibt. Aber erreichbar sind sie nur, wenn die Anreize passen. Dazu ein kleines Beispiel: Wer im Haushalt Energie vernünftig nützen will, müsste in den Nachtstund­en billigeren Strom bekommen und die Zähler darauf programmie­ren können. Leider ist die Realität anders: Derzeit werden angeblich „smarte“Stromzähle­r eingebaut, die genau das nicht können. Eine vergebene Chance. Der teure Zählertaus­ch ist nur ein staatlich erzwungene­r Extra-Geldregen für Zählerhers­teller. So viel zum Thema „Übergewinn­e“. er Energiemar­kt hat mit „liberal“und freier Auswahl eher wenig zu tun. In der momentanen Situation erleichter­t das Eingriffe. Umso größer ist die Verantwort­ung der Politik: Sie ist schon oft Energie-Irrwege gegangen, wir haben dafür viel Lehrgeld bezahlt. Da sollte man wenigstens die Lehren beherzigen.

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Ernst Sittinger ernst.sittinger@kleinezeit­ung.at

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