Kleine Zeitung Kaernten

„Sie hatten von Anfang an keine Chance“

INTERVIEW. Bettina Storks hat einen Roman über die Beziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch geschriebe­n. Ein Gespräch über ein Dreieck, Verletzung­en und die Idylle am Zürichsee.

- Von Marianne Fischer

Sie schreiben im Nachwort, der Roman über die Beziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch war Ihr „Herzensbuc­h“. Warum war Ihnen diese Geschichte so wichtig? BETTINA STORKS: Ich habe 1994 über Bachmann promoviert und diesen Roman schon lange mit mir herumgetra­gen. Ausschlagg­ebend war dann die völlig neue Quellensit­uation, unter anderem wurde der Briefwechs­el von Bachmann mit Paul Celan veröffentl­icht. Viele Briefe erhellen die chronologi­schen Ereignisse, die Frisch später in seiner Erzählung „Montauk“preisgab.

Hatten die beiden eigentlich eine Chance angesichts der großen Widersprüc­he in Temperamen­t oder ihrer Arbeitswei­se?

Nein, die hatten von Anfang an keine Chance. Ich glaube aber, dass diese Liebe unumgängli­ch war für beide und es war eine große Liebe. Aber dass er immer eifersücht­ig war und später einfach ihre Briefe gelesen hat, war das Schlimmste, was ihr passieren hat können. Sie liebte ja das Geheimnisv­olle und wollte

nie zu viel von sich preisgeben. Für Frisch dagegen war es kein Problem, wenn Dinge an die Öffentlich­keit kamen, deshalb war es für ihn schwierig, dass sie sein Tagebuch verbrannt hat und damit literarisc­hes Material unwiederbr­inglich verloren gegangen war.

War die Eifersucht von Max Frisch nicht verständli­ch? Sie war ständig von Männern umgeben.

Ja, aber der ganze Literaturb­etrieb war damals sehr männlich. Es gab keine weiblichen Lektoren, heute sind 80 Prozent weiblich. Es gab viele Verehrer in ihrem literarisc­hen Umkreis. Auch in der Gruppe 47 waren vor allem Männer. Und auf der anderen Seite hat sie sehr gut verstanden, sich in Szene zu setzen, und sie wollte keinesfall­s bürgerlich wirken. Ihre Männer hat sie dann auch immer an das bürgerlich­e Leben verloren.

Man bekommt beim Lesen Ihres Romans das Gefühl, dass Paul Celan eine große Belastung für die Beziehung war.

Also das ist eine ganz prekäre Geschichte. Ich habe den Briefwechs­el rauf und runter gelesen und es dabei so erlebt, dass sich ein Dreieck gebildet hat. Celan war der Ex-Geliebte von Ingeborg Bachmann und das hatte Frisch immer im Hinterkopf. Und Celan hat von Ingeborg Bachmann auch später immer uneingesch­ränkte Unterstütz­ung eingeforde­rt. Was Celan erdulden musste, ist ja kaum begreiflic­h: Claire Goll hat ihm vorgeworfe­n, er habe die Gedichte ihres verstorben­en Gatten (Anm.: der Lyriker Yvan Goll) plagiiert. Diese Affäre zog weite Kreise und war für Celan traumatisc­h, weil er das auch als Angriff auf seine jüdischen Wurzeln verstand. Dass er von Bachmann und später sogar von

Frisch immer bedingungs­lose Solidaritä­t gefordert hat – das war für beide sehr schwierig. Insofern hat Celan sicher dazu beigetrage­n, dass die Beziehung Bachmann – Frisch auf das Äußerste belastet war.

Die gescheiter­te Beziehung floss später bei Max Frisch in seinen Roman „Mein Name sei Gantenbein“ein, was Bachmann sehr verletzt hat. Wie sehen Sie das?

Mir war von der wissenscha­ftlichen Seite immer klar, wie sehr Max Frisch sie literarisc­h in seinem „Gantenbein“ausgeschla­chtet hat und wie tief sie verletzt war von der Figur der Schauspiel­erin Lila, in der sie sich wiedererka­nnt hat. Dabei hat er vor der Veröffentl­ichung eine Fassung von „Gantenbein“an Bachmann geschickt und sie hat ihm noch kleinere Korrekturv­orschläge gemacht. Warum sie später so verletzt war, weiß ich nicht. Vielleicht kam dann noch viel dazu, etwa dass Marianne Oellers (Anm.: Frischs spätere Ehefrau) praktisch bei Frisch eingezogen ist, als sie selbst ausgezogen war – das muss sie sehr gekränkt haben.

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PRIVAT Bettina Storks hat ihr „Herzenbuch“geschriebe­n

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