Milliardenschweres Pflaster
Der Energiekostenzuschuss soll die ärgste Not von Betrieben lindern. Letztlich bleibt er Symptombekämpfung. Vor allem die Gefahr der Deindustrialisierung wird nicht gebannt.
Haushalte erhielten als Ausgleich für exorbitant steigende Energiekosten bereits Kompensationszahlungen. Der mit der Gießkanne befüllte Förderteich produziert dabei mitunter seltsame Blüten. Aber nicht nur Millionen Haushalte, auch Hunderttausende Firmen sind dem Treiben auf den internationalen Energiebörsen ausgeliefert. Betroffenheiten mögen variieren, ein Faktum eint alle: Energie war lange spottbillig – ein Durchlaufposten, bei dem es galt, sich stets aufs Neue die günstigsten Preise zu sichern, statt sich langfristig abzusichern. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine änderten sich diese Bedingungen von Grund auf.
Keine Branche steckt die um das bis zu Zehnfache gestiegenen Preise für Energie locker weg. Höhere Kosten einfach auf Preise umzulegen, spielt es sich meist nicht mehr. Entweder sind teuerungsgeplagte Kunden nicht mehr in der Lage oder willens, Preissprünge mitzumachen. Oder außereuropäischer Mitbewerb gestaltet seine Preise nach anderen Spielregeln.
Damit steigt die Gefahr irreversibler Erschütterungen, das
Gespenst der Deindustrialisierung geht um. Wenn Gas in Europa sieben Mal so teuer ist wie in den USA, werden hier energieintensive Branchen mittelfristig keine Zukunft haben – trotz Subventionen. Und es sind längst nicht Exoten, die in Europa auf verlorenem Posten stehen könnten, sondern Evergreens der Metall-, Kunststoff-, Papier-, Baustoff- oder Chemieindustrie. Brechen die weg, sind ganze Wertschöpfungsketten und zahllose Arbeitsplätze Geschichte. Dass gestoppte Industriebetriebe einfach wieder aufsperren, ist nur Wunschdenken.
Ja, wir erinnern uns gut: Nach den vielen, teils zu schrillen Hilferufen aus der Wirtschaft während der Pandemie ist man versucht, nur mit halbem Ohr hinzuhören. Lauert hier bereits die nächste Überförderung?
Eher nein. Denn noch schützen Fixpreise für Energie viele Betriebe vor der vollen Wucht, erst 2023 wird die Preiskeule richtig zuschlagen. Dass in zwei der vier Förderstufen Betriebsverluste vorausgesetzt werden, um einen Teil der Mehrkosten ersetzt zu bekommen, ist wenig schlau – dann kann es für viele bereits zu spät sein.
Nicht auf die Säulen der Industrie, sondern kleinere Kaliber zielen Förderbedingungen, die zum Abdrehen von Heizschwammerln und Sitzheizungen in Sesselliften zwingen. Stromsparen in allen Lebenslagen als Voraussetzung für eine Förderung ist jedenfalls sinnvoll und nachahmenswert. etztlich bleibt der zeitlich zu knapp befristete Energiekostenzuschuss Symptombekämpfung. Nur ein energetisch weitgehend unabhängiges Österreich kann sich vor der Willkür von Diktatoren und Extremausschlägen auf den Märkten schützen. Diese Energie, mit der die Regierung die Not der Haushalte und Betriebe lindert, wünscht man sich auch an anderer Stelle. Beim viel zu zögerlichen Ausbau erneuerbarer Energien sah man in den sieben Monaten seit Kriegsbeginn ähnliche Anstrengungen mit freiem Auge jedenfalls nicht.
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