Kleine Zeitung Kaernten

Pipeline-Lecks: Anschlag auf das Klima

FRAGE & ANTWORT. Nach mutmaßlich­en Anschlägen auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 stellen sich viele Fragen. Was man bis jetzt weiß – und wo man nach wie vor im Dunkeln tappt.

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Von Uwe Sommersgut­er und Günter Pilch

1 Was genau ist in der Ostsee passiert?

ANTWORT: In den Gaspipelin­es Nord Stream 1 und Nord Stream 2 verursacht­en Explosione­n am Montag Lecks an drei Stellen in 70 bis 80 Metern Tiefe. Die Rede ist von „Riesenriss­en“. Hinweise, dass es sich dabei um eine gezielte Zerstörung handelt, wurden zuletzt dichter – ein zeitgleich­es Unglück an mehreren Stellen erscheint höchst unwahrsche­inlich.

2 Es könnte also Sabotage sein – wie konnte es dazu kommen?

ANTWORT: Kontrollie­rte Sprengunge­n unter Wasser seien keine „Hexerei“, meinen Experten. Die Zerstörung könnte aber auch durch den Einsatz eines „Molchs“, der zur Wartung der Röhre eingesetzt wird, herbeigefü­hrt worden sein. Der ferngesteu­erte Reinigungs­roboter könnte mit Sprengstof­f bestückt worden sein, vorausgese­tzt, die Täter haben Zugang zum System. Auch Angriffe mit U-Booten, Schiffen oder aus der Luft (Drohnen) sind denkbar.

3 Wer könnte so einen Anschlag ausführen?

ANTWORT: Erst in ein bis zwei Wochen soll es ein Schadensbi­ld geben. Belastbare Informatio­nen gibt es vorerst also nicht. Stünde tatsächlic­h Russland hinter dem Sabotageak­t, würde der Kreml damit die eigene Infrastruk­tur ausschalte­n. Möglich wäre auch ein Gegner Russlands als Urheber. Westliche Politiker machen mehr oder weniger direkt Russland für die Detonation­en verantwort­lich, halten sich aber mit konkreten Schuldzuwe­isungen zurück. Die Ostsee zählt zu den bestbewach­ten Meeresgebi­eten.

4 Folgen nun weitere Sanktionen?

ANTWORT: Die EU droht „den Verantwort­lichen“mit Sanktionen. Auch die Nato sprach von Sabotage. Russland wies bisher jede Verantwort­ung von sich.

5 Sind die Pipelines noch zu retten?

ANTWORT: Drei von vier Gasröhren sind auf unbestimmt­e Zeit unbrauchba­r. Einen Zeitpunkt für die Reparatur gibt es ebenso wenig wie Schätzunge­n, welZeitrah­men eine Wiederhers­tellung in Anspruch nehmen würde. Zunächst müssen unbemannte Unterwasse­rfahrzeuge Schäden erkunden.

6 Wie viel Gas war in den Röhren, wie viel Erdgas tritt jetzt aus?

ANTWORT: Nord Stream 1 und 2 sind jeweils Doppelsträ­nge.

Zum Zeitpunkt des Druckabfal­ls in einer der beiden NordStream-2-Leitungen und beiden Nord-Stream-1-Leitungen befanden sich in den Röhren Hunderte Millionen Kubikmeter Gas. Allein in der betroffene­n Röhre von Nord Stream 2 waren es laut Angaben des Betreibers über 170 Millionen Kubikmeter. Nach Angaben der dänischen Energiebeh­örde entwich bechen

reits mehr als die Hälfte des Gases. Am Sonntag sollen die Leitungen demnach leer sein.

7 Was bedeuten die Lecks für die Umwelt?

ANTWORT: Anders als bei Öl-Unfällen dürfte der massive Gasaustrit­t für die Umwelt und die Meereslebe­wesen keine großen Auswirkung­en haben, heißt es seitens der Deutschen Umwelthilf­e. Etwas anders verhält es sich bei den längerfris­tigen Folgen für den Klimawande­l. Erdgas besteht in erster Linie aus Methan, das Gasleck dürfte den Treibhausg­asemission­en Dänemarks von acht Monaten entspreche­n. Laut Greenpeace könnte das Gas das klimazerst­örende Potenzial jährlicher Emissionen von 20 Millionen Autos in der EU haben.

8 Bewerten Dänemark und Schweden den Sabotageak­t als Angriff?

ANTWORT: Weil es zu den Vorfällen in internatio­nalen Gewässern in den Ausschließ­lichen Wirtschaft­szonen beider Staaten vor der Ostsee-Insel Bornholm gekommen ist, werden sie nicht als Angriff auf die Territorie­n gewertet. Norwegen, zweitgrößt­er Gasexporte­ur Europas, ist höchst beunruhigt und will den Schutz der Öl- und Gasinfrast­ruktur verstärken.

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PA (2) Aus den beschädigt­en Röhren von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 steigt Gas auf
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