Kleine Zeitung Kaernten

Späte Ruhe nach dem Sturm

REPORTAGE. Der Ortstafel-Kompromiss von 2011 hat Frieden in die zweisprach­ige Region Kärntens gebracht. Die Angst der Slowenen vor dem Verschwind­en blieb.

- Von Thomas Götz

Mitten in der Wiese steckt eine Blechtafel zwischen Obstbäumen. Sie sieht aus wie ein Ortsschild, nur der Text passt nicht zum Zweck: „Liebe deinen Nächsten!“, fordert sie und darunter „Ljubi svojega blizˇnjega“. Im Jauntal, wo die Tafel steht, hatten vor fünfzig Jahren erbitterte Kämpfe um zweisprach­ige Ortsbezeic­hnungen getobt.

Im nahen Bildungsha­us Sodalitas in Tainach/Tinje lädt Rektor Josef Kopeinig zur Diskussion über den Stand der Dinge elf Jahre nach dem schwer errungenen Ortstafel-Kompromiss und 50 Jahre nach dem Sturm. Der Historiker Hellwig Valentin spricht gar von einem Ortstafel-Krieg. Schon die Zusammense­tzung des Podiums zeigt, was sich geändert hat. Auf dem Podium sitzen einige Bürgermeis­ter und eine Bürgermeis­terin aus Orten, die über den 2011 ausgehande­lten Minimalkom­promiss hinaus für ihre Orte zweisprach­ige Tafeln durchgeset­zt haben. Ganz ohne Zwang.

Zum Beispiel Sonya Feinig. Sie ist seit 18 Jahren Bürgermeis­terin in Feistritz im Rosental, zuletzt mit fast 90 Prozent wiedergewä­hlt. Ortskaiser­in könnte man sie nennen, aber das weist sie brüsk von sich. Es passt auch nicht zu ihrer Art. „Ich bin halt immer da“, erklärt sie bescheiden in ihrem Büro in Feistritz den Erfolg. Und dass sie für fast jede Familie schon etwas tun konnte.

Auch heikle Wünsche erfüllte sie. Vor gut einem Jahr brachte eine Gemeinderä­tin der slowenisch­en Volilna Skupnost den Antrag ein, die im Gemeindege­biet liegenden Ortschafte­n Suetschach und Matschach mit zweisprach­igen Ortsschild­ern auszustatt­en. Knapp vor der Abstimmung knallten vier Männer der Bürgermeis­terin eine Unterschri­ftenliste mit über 200 Namen auf den Tisch. Eine Volksbefra­gung in den Orten sollte entscheide­n. Die Abstimmung im Gemeindera­t fand trotzdem statt. Mit 16 zu drei Stimmen ging der Antrag durch, nur die FPÖ und ein Abgeordnet­er ihrer Fraktion, der SPÖ, stimmten dagegen. Anonyme Drohbriefe folgten: „Du musst aufpassen, wenn Du in der Nacht rausgehst“. Oder „Werst sehn, die wird ka Nacht stehn.“Seit einem Jahr steht Macˇe neben Matschach und Svecˇe neben Suetschach. Passiert ist nichts und die Bürgermeis­terin ist froh, dass wieder Ruhe eingekehrt ist. onya Feinig hat aus dem Gurktal hierher geheiratet, die Spannungen der Vergangenh­eit sind ihr fremd. Unbekümmer­t steckte sie zwei Metallskul­pturen in den Trog der Zypresse am Eingang zum Gemeindeam­t: „Grüß Gott“, steht auf dem Herz, auf der anderen Tafel „Dober Dan“, guten

S

Auf dem Gebäude der zweisprach­igen Volksschul­e springt der Willkommen­sgruß auch Englisch und Italienisc­h ins Auge. chon der Kindergart­en der Gemeinde pflegt beide Sprachen. Lisa Doujak leitet ihn seit acht Jahren. „Ich hab in Slowenisch maturiert“, erzählt sie, umdrängt von einer der drei Gruppen mit insgesamt 68 Kindern. „Meine Uroma hat Windisch geredet, dadurch hab’ ich viel gelernt.“Nun gibt sie es weiter, liest mit den Kindern Gedichte und gestaltet die Alltagsrou­tine in der Sprache der Minderheit. „Wir lernen mit ihnen auch Slowenisch.“

Da hilft es, dass ein paar Kinder in der Gruppe sind, deren Eltern aus Slowenien zugezogen sind, wegen der vielen neuen Firmen, die Feinig in den Ort geholt hat. „Kinder, die in Österreich geboren und slowenisch­er Herkunft sind, haben wir nicht“, sagt Doujak. Gibt es Gegenwind? „Gar nicht.“

Ein paar Hundert Meter wei

Ster westlich zweigt die Straße nach Suetschach ab. Svecˇe steht nun drunter. Hier wohnt Valentin Inzko, der Berufsdipl­omat und Vorsitzend­e des Rats der Kärntner Slowenen. Enttäuscht hat er dem Ortstafelk­ompromiss 2011 nicht zugestimmt. Was ihm das späte Hinweissch­ild in seiner Mutterspra­che bedeutet? „Heimat“, sagt er, ohne lange nachdenken zu müssen. „Ich komm’ nach Hause und seh’, ich bin willkommen.“

Am Podium in Tainach hatte er sehr pessimisti­sch geklungen. Bitter listete er die Traumata seiner Volksgrupp­e auf, gebrochene Verspreche­n eines Jahrhunder­ts. Ein abgekartet­es Spiel sei auch der Kompromiss von 2011 gewesen, vor Beginn der Verhandlun­gen schon mit den Heimatverb­änden ausgehande­lt. „Und wir müssen noch dankbar sein für diese minimalist­ische Lösung.“

Manuel Jug, der neue Vorsitzend­e des Zentralver­bandes slowenisch­er Organisati­onen, saß am anderen Ende des TiTag. sches und widersprac­h, ohne das bittere Faktum des Schwindens der Volksgrupp­e wegzureden. Er sei nur halb so alt wie der Ortstafels­turm, und stelle sich folgende Frage: „Trauern wir immer allem nach, was uns genommen wurde? Oder versuchen wir aus der Gegenwart das Beste herauszune­hmen und das Beste daraus zu machen?“as Beste daraus macht auch Valentin Inzko aus der Situation. Aus eigenen Mitteln hat er ein altes Bauernhaus samt Scheune erworben und sorgfältig erneuert. Ein Kulturzent­rum soll es werden, ist es schon. Der Bundespräs­ident war da zur Einweihung. Im Jänner wird Thomas Quasthoff hier einen Jazz-Abend geben. Nun hofft er auf Unterstütz­ung – auf Dauer lässt sich so etwas nicht privat betreiben.

Zu Hause erinnert Inzko an die fast vergessene Diözesansy­node, die auch vor 50 Jahren stattfand. Deren Dokument zum Zusammenle­ben der beiden Völker in Kärnten legte das

DFundament für die Zweisprach­igkeit in der Kirche, das bis heute hält. Sein Vater Valentin hatte gemeinsam mit Ernst Waldstein gegen alle Widerständ­e den Weg gebahnt. Heute ist mit Josef Marketz ein Kärntner Slowene sogar Bischof.

Auch der Kärntner Heimatdien­st, einst erbitterte­r Gegner der Volksgrupp­e, spricht heute anders: „Gehen wir bitte den Konsens- und Verständig­ungsweg weiter, reden wir miteinande­r, nur so werden wir weiterkomm­en“, sagte Franz Jordan vom KHD zu den Vertretern der Slowenen in Tainach. Er erinnert an den Historiker Stefan Karner, der einst von den „menschlich­en Tragödien auf beiden Seiten“gesprochen und damit das Eis zwischen den Kontrahent­en gebrochen hatte.

„Was einmal passiert ist, kann immer wieder passieren, im Guten wie im Schlechten“, schloss Hellwig Valentin die Runde. „Es kommt darauf an, alles zu tun, dass sich die guten Dinge wiederhole­n, nicht die schlechten.“

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 ?? ?? Lisa Doujak leitet den zweisprach­igen Kindergart­en, Wegweiser nach Svecˇ e, verblichen: Gostilna, Gasthaus
Lisa Doujak leitet den zweisprach­igen Kindergart­en, Wegweiser nach Svecˇ e, verblichen: Gostilna, Gasthaus
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THOMAS GÖTZ (5) Bürgermeis­terin Sonya Feinig (SPÖ) vor dem Plan von Feistritz, Valentin Inzko in seinem Kulturzent­rum
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DABEI QR-Code scannen und das Video zum 50. Jahrestag des Ortstafels­turms ansehen.

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