Vollelektrisch durch die Lüfte
„Alice“-Erstflug lässt von „grüner“Luftfahrt träumen, Experte sieht aber Grenzen.
Emissionsfreies Pendeln“: So warb die US-amerikanische Regionalfluggesellschaft Cape Air im heurigen April, als sie neben anderen Airlines eine Kaufabsicht für 75 „Alice“-Elektroflugzeuge unterschrieb. Nun war es so weit: Das israelische Unternehmen Eviation Aircraft startete seine „Alice“erfolgreich vom Grant County International Airport in Washington. Das Flugzeug, das laut Hersteller völlig emissionsfrei operiert, flog bei seiner Generalprobe acht Minuten in 3500 Fuß (1067 Meter) Höhe. „Wir haben Geschichte geschrieben“, bejubelte EviationPräsident Gregory Davis den klimaneutralen Premierenflug.
Technisch ist das Flugzeug klar auf Kurzstrecken ausgelegt – mit zwei 850 PS starken Elektromotoren, einer Reichweite von 815 Kilometern und einer 900kWh-Batterie, in der die gesamte Energie gespeichert ist.
Stefan Eiselin, Luftfahrtexperte und Gründer des Nachrichtenportals Aerotelegraph, betont im Interview mit der Kleinen Zeitung, dass der Hersteller Eviation noch einen weiten Weg vor sich habe: „Es ist ein Erfolg. Aber noch gibt es viele Hausarbeiten zu erledigen, bis der Elektroflug im kommerziellen Luftverkehr Einzug halten wird. Der Erstflug dauerte ja nur rund zehn Minuten. Jetzt steht dem Hersteller noch ein langwieriges Testprogramm bevor, in dem sich ,Alice‘ erst gründlich beweisen muss.“Ab 2027 soll ausgeliefert werden, drei Versionen sind in der Prototyp-Phase: eine „Pendler“-Variante für neun Passagiere, zwei Piloten und 386 Kilo Fracht, eine „Executive“-Ausführung mit sechs komfortablen Passagiersitzen und eine „Cargo“-Version. Reisegeschwindigkeit: 416 km/h.
Wie weit kann der Weg für Elektroflugzeuge führen? „Längerfristig wird der Regionalluftverkehr das einzige Einsatzgebiet neben der Businesscharter- und der Privatfliegerei sein. Für lange Strecken ist man bei der Entwicklung der Batterien zu wenig weit, sie sind zu wenig leistungsfähig, zu groß, zu schwer. Elektroflugzeuge können keine langen Strecken bewältigen.“In Europa könnte es gegen Ende dieses Jahrzehnts elektrische Flüge geben, so Eiselin: „Ich denke da etwa an Skandinavien, wo Ortschaften oft sehr abgelegen sind. Per Zug oder Auto ist man von der Steiermark nach Vorarlberg lange unterwegs. Und warum nicht beispielsweise Graz – St. Gallen-Altenrhein mit dem Elektroflugzeug?“
Wie „grün“kann Flugverkehr werden? „Die Branche hat immensen Druck, sich zu entkarbonisieren. Auf der Kurz- und Mittelstrecke ist ,grünes Fliegen‘ machbar. Dort werden wir Elektro- und Wasserstoffflugzeuge sehen. Auf Langstrecke bleibt Biokerosin, also nichtfossiler Treibstoff, auf längere Zeit die einzige Alternative.“