„Kandidaten bauen auf Angst“
Die Hoffnung auf Veränderung ist vor den Wahlen in Bosnien wieder einmal begrenzt. Mit Serbenführer Milorad Dodik geriet zuletzt der gewiefteste Strippenzieher stärker unter Druck.
Bosnien-Herzegowina wählt morgen – und der mächtigste Mann im bosnischen Teilstaat der Republika Srpska feiert seinen Sieg bereits vor der Wahl. „Ich bin gekommen, um mit meinen Mitbürgern die Freude der Erfolge und Siege zu teilen“, verkündet Serbenführer Milorad Dodik jubelnden Fans seiner SNSD in der Sporthalle von Laktaˇsi: „Es lebe die Republika Srpska, es lebe Serbien, es lebe Russland!“.
Wahlen in Bosnien und Herzegowina, Stimmenstreit im zerrissenen Vielvölkerstaat. 7275 Kandidaten streiten beim kompliziertesten Urnengang der Welt um Hunderte Mandate bei gleichzeitigen Parlaments-, Präsidentschafts, Teilstaats-, Sonderdistrikt- und Kantonswahlen: Jede Volksgruppe, jede Entität wählt selbst für die nationalen Institutionen ihre Vertreter getrennt.
Von Wahl zu Wahl scheint sich die Lage in dem von Korruption, Parteienwirtschaft und Abwanderung gebeutelten Balkanstaat noch weiter zu verschlechtern. Einen
der Wähler haben Bosniens gewiefte Politfürsten dennoch kaum zu befürchten. Egal, ob muslimische Bosniaken, bosnische Serben oder Kroaten: 30 Jahre nach Ausbruch des Bosnienkriegs (1992–1995) kreuzen sie meist die Namen der vertrauten Scharfmacher an.
Die Wahl nach ethnischen Prinzipien führe dazu, dass in jeder Volksgruppe „diejenigen Kandidaten den größten Zuspruch haben, die am stärksten auf nationalistische Töne setzen“, sagt in Banja Luka der Analyst Srdjan Puhalo zur Kleinen Zeitung: „Sie bauen auf die Angst vor anderen, auf die Angst vor einem neuen Krieg, auf die Angst, dass die Sicherheit der eigenen Volksgruppe bedroht ist.“
Auch SNSD-Chef Dodik zog für seinen anvisierten Wechsel von Bosniens dreiköpfigem Staatspräsidium in den Präsidentensessel der Republika Srpska alle nationalistischen Wahlkampfregister. Einmal verkündete der Serbenführer, dass man „mit Moslems keine gemeinsamen Schulen haben kön
ne“. Dann sagte er, dass er in Sarajevo nichts esse – aus Angst, „vergiftet zu werden“.
in Moskau versicherte sich Dodik der Unterstützung von Wladimir Putin und kündigte erneut ein Fußballfreundschaftsspiel gegen Russland im November an: Empört erklärten mehrere bosnische Nationalkicker den Boykott des von Dodik eingefädelten Propaganda-Kicks. Seinem Feldzug gegen die Ernennung des neuen deutschen Botschafters in Sarajevo versagte zwar selbst das Teilstaatsparlament in der Republika Srpska die Unterstützung. Doch dafür trommelte Ungarns Premier Viktor Orbán für seinen PolitbusenDenkzettel
Bei seiner Wahlkampfvisite
freund per Videobotschaft die Wahlwerbetrommel.
Spätestens in 30 Jahren werde die Republika Srpska ein „unabhängiger Staat“sein, kündigte der Sezessionist im Wahlkampf wieder einmal vollmundig an. Doch ungewohnt nervös wirkte der sonst so selbstbewusste Strippenzieher auf der Zielgeraden seines verbissenen Stimmenstreits. Denn der Dauersieger könnte erstmals eine Wahl verlieren: Laut einer Umfrage eines Belgrader Instituts liegt der SNSD-Chef zwei Prozent hinter der Oppositionskandidatin Jelena Trivic´ (PDP).
Dodik habe zur Nervosität allen Grund, sagt Analyst Puhalo und nennt drei Faktoren, die sich negativ auf sein
Wahlergebnis auswirken könnten: Die von seiner SNSD 2020 verlorenen Kommunalwahlen in Banja Luka, die „sehr starke Verärgerung“des Westens über seine Bande mit Moskau sowie die Wirtschaftslage: „Dodik hat mit einem Feind zu kämpfen, gegen den er kaum etwas ausrichten kann – die Inflation und die Rezession.“
„Wer gewinnt – Dodik oder Trivic´?“, titelt „Euro Blic“in Banja Luka, die von einer Schicksals- und Richtungswahl spricht. Eigentlich habe das Amt des Teilstaatspräsidenten nur protokollarische Funktion, so Puhalo: „Doch wo Dodik ist, ist die Macht. Es geht weniger um das Amt an sich, sondern um die Demonstration, dass er ein Sieger ist, dem nicht nur seine Partei, sondern auch die Republika Srpska ohne Widerrede zu gehorchen hat.“
Zwar könnte Dodik bei einer Niederlage auf den Posten des Regierungschefs im Teilstaat wechseln: „Verliert er die Wahl, würde er sich verletzlich zeigen, sein Nimbus würde bröckeln.“