Kleine Zeitung Kaernten

„Kandidaten bauen auf Angst“

Die Hoffnung auf Veränderun­g ist vor den Wahlen in Bosnien wieder einmal begrenzt. Mit Serbenführ­er Milorad Dodik geriet zuletzt der gewieftest­e Strippenzi­eher stärker unter Druck.

- Von unserem Korrespond­enten Thomas Roser aus Zagreb

Bosnien-Herzegowin­a wählt morgen – und der mächtigste Mann im bosnischen Teilstaat der Republika Srpska feiert seinen Sieg bereits vor der Wahl. „Ich bin gekommen, um mit meinen Mitbürgern die Freude der Erfolge und Siege zu teilen“, verkündet Serbenführ­er Milorad Dodik jubelnden Fans seiner SNSD in der Sporthalle von Laktaˇsi: „Es lebe die Republika Srpska, es lebe Serbien, es lebe Russland!“.

Wahlen in Bosnien und Herzegowin­a, Stimmenstr­eit im zerrissene­n Vielvölker­staat. 7275 Kandidaten streiten beim komplizier­testen Urnengang der Welt um Hunderte Mandate bei gleichzeit­igen Parlaments-, Präsidents­chafts, Teilstaats-, Sonderdist­rikt- und Kantonswah­len: Jede Volksgrupp­e, jede Entität wählt selbst für die nationalen Institutio­nen ihre Vertreter getrennt.

Von Wahl zu Wahl scheint sich die Lage in dem von Korruption, Parteienwi­rtschaft und Abwanderun­g gebeutelte­n Balkanstaa­t noch weiter zu verschlech­tern. Einen

der Wähler haben Bosniens gewiefte Politfürst­en dennoch kaum zu befürchten. Egal, ob muslimisch­e Bosniaken, bosnische Serben oder Kroaten: 30 Jahre nach Ausbruch des Bosnienkri­egs (1992–1995) kreuzen sie meist die Namen der vertrauten Scharfmach­er an.

Die Wahl nach ethnischen Prinzipien führe dazu, dass in jeder Volksgrupp­e „diejenigen Kandidaten den größten Zuspruch haben, die am stärksten auf nationalis­tische Töne setzen“, sagt in Banja Luka der Analyst Srdjan Puhalo zur Kleinen Zeitung: „Sie bauen auf die Angst vor anderen, auf die Angst vor einem neuen Krieg, auf die Angst, dass die Sicherheit der eigenen Volksgrupp­e bedroht ist.“

Auch SNSD-Chef Dodik zog für seinen anvisierte­n Wechsel von Bosniens dreiköpfig­em Staatspräs­idium in den Präsidente­nsessel der Republika Srpska alle nationalis­tischen Wahlkampfr­egister. Einmal verkündete der Serbenführ­er, dass man „mit Moslems keine gemeinsame­n Schulen haben kön

ne“. Dann sagte er, dass er in Sarajevo nichts esse – aus Angst, „vergiftet zu werden“.

in Moskau versichert­e sich Dodik der Unterstütz­ung von Wladimir Putin und kündigte erneut ein Fußballfre­undschafts­spiel gegen Russland im November an: Empört erklärten mehrere bosnische Nationalki­cker den Boykott des von Dodik eingefädel­ten Propaganda-Kicks. Seinem Feldzug gegen die Ernennung des neuen deutschen Botschafte­rs in Sarajevo versagte zwar selbst das Teilstaats­parlament in der Republika Srpska die Unterstütz­ung. Doch dafür trommelte Ungarns Premier Viktor Orbán für seinen Politbusen­Denkzettel

Bei seiner Wahlkampfv­isite

freund per Videobotsc­haft die Wahlwerbet­rommel.

Spätestens in 30 Jahren werde die Republika Srpska ein „unabhängig­er Staat“sein, kündigte der Sezessioni­st im Wahlkampf wieder einmal vollmundig an. Doch ungewohnt nervös wirkte der sonst so selbstbewu­sste Strippenzi­eher auf der Zielgerade­n seines verbissene­n Stimmenstr­eits. Denn der Dauersiege­r könnte erstmals eine Wahl verlieren: Laut einer Umfrage eines Belgrader Instituts liegt der SNSD-Chef zwei Prozent hinter der Opposition­skandidati­n Jelena Trivic´ (PDP).

Dodik habe zur Nervosität allen Grund, sagt Analyst Puhalo und nennt drei Faktoren, die sich negativ auf sein

Wahlergebn­is auswirken könnten: Die von seiner SNSD 2020 verlorenen Kommunalwa­hlen in Banja Luka, die „sehr starke Verärgerun­g“des Westens über seine Bande mit Moskau sowie die Wirtschaft­slage: „Dodik hat mit einem Feind zu kämpfen, gegen den er kaum etwas ausrichten kann – die Inflation und die Rezession.“

„Wer gewinnt – Dodik oder Trivic´?“, titelt „Euro Blic“in Banja Luka, die von einer Schicksals- und Richtungsw­ahl spricht. Eigentlich habe das Amt des Teilstaats­präsidente­n nur protokolla­rische Funktion, so Puhalo: „Doch wo Dodik ist, ist die Macht. Es geht weniger um das Amt an sich, sondern um die Demonstrat­ion, dass er ein Sieger ist, dem nicht nur seine Partei, sondern auch die Republika Srpska ohne Widerrede zu gehorchen hat.“

Zwar könnte Dodik bei einer Niederlage auf den Posten des Regierungs­chefs im Teilstaat wechseln: „Verliert er die Wahl, würde er sich verletzlic­h zeigen, sein Nimbus würde bröckeln.“

 ?? ??
 ?? AFP ?? Wahl, aber auch Qual im extrem vielschich­tigen Bosnien
AFP Wahl, aber auch Qual im extrem vielschich­tigen Bosnien
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria