Im Reich der Heidschnucken
Der nach den genügsamen Schafen benannte Wanderweg durch die Lüneburger Heide feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen.
Heide-Ranger Jan Brockmann gehört zu den Mitbegründern des Heidschnuckenwegs, der auf einer Länge von 223 Kilometern von Hamburg nach Celle durch die Lüneburger Heide führt und heuer sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Während wir unter seiner Führung im Gänsemarsch durch die einzigartige Landschaft traben, erzählt Jan, wem sie ihre Existenz verdankt: „Die Heidelandschaft kann nur durch ständige Pflege erhalten werden. Überlässt der Mensch diese Kulturlandschaft sich selbst, verbuscht die Heide. Der Wald erobert sich die offene Landschaft zurück.“
Bei dieser Pflege werden die Landwirte von Tausenden Heidschnucken unterstützt, den genügsamen Schafen mit den gedrehten Hörnern, denen die immergrünen Zwergsträucher der Heide als Futterquelle dienen. Zu Gesicht bekommt man diese Landschaftspfleger auf vier Beinen allerdings nur fallweise. Jan Brockmann weiß auch warum: „Die Schäfer führen ein sehr zurückgezogenes Leben und meiden zumeist den Kontakt mit Heidewanderern.“Diese gibt es seit Beginn der Coronapandemie nämlich in steigender Zahl. „Viele Großstadtbewohner des Nordens haben in den letzten Jahren entdeckt, dass man auch ohne Berge wandern kann.“
Davon profitiert auch Jung-Hotelier Björn Bohlen, der vor zwei Jahren in Oberhaverbek ein ganz besonderes Hotel eröffnet hat. Der Stimbekhof ist ein altes Gehöft, dem Bohlen gemeinsam mit seiner Partnerin neues Leben eingehaucht hat. Das reetgedeckte Haupthaus wurde sehr behutsam zu einem Hotel mit modernem Komfort umgewandelt. Wobei Björn sein Haus lieber als „alten Hof mit Gästezim
bezeichnet. Fast alles, was den Stimbekhof ausmacht, stammt aus der Region. Um diese Logistik zu erleichtern, haben sich die Unternehmer im Umfeld der Heide vom Tischler bis hin zum Käse-Produzenten zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, die gemeinsam ihre Produkte vermarktet.
Seit mehr als 100 Jahren wird der Naturschutz in der Lüneburger Heide großgeschrieben. Damals verhinderte der junge Pastor Wilhelm Bode, dass das heutige Naturschutzgebiet um den Totengrund in der Nähe des Ortes Wilsede als Bauland verkauft wurde. Nach Langem Suchen fand er einen Sponsor, der ihm die damals beträchtliche Summe von
6000 Mark zur Verfügung stellte. Mit dem Kauf der Heideflächen im Totengrund war die Keimzelle für den Naturpark entstanden.
Erika begleitet einen auf Schritt und Tritt – glaubt man zumindest. Wie HeideRanger Jan weiß, „heißt nämlich nicht jedes Heidekraut Erika“: „Denn hier blüht vor allem die Besenheide, unter Biologen auch Calluna vulgaris genannt.“Diese Besenheide ist ein immergrüner Zwergstrauch mit hellvioletten Blüten.
Als wahrer „Hungerkünstler“kommt sie gut mit den trockenen, nährstoffarmen Böden der Sandheiden zurecht. Und solange ihr kein Baum das Licht raubt oder der gefürchtete Heideblattmern“ käfer den Garaus macht, gedeiht sie prächtig.
Seit heuer ergänzen zwölf neue Rundwanderwege das Angebot entlang des Heidschnuckenwegs. Diese 1,4 bis 20,9 Kilometer langen „Heideschleifen“sollen vor allem jene Gäste ansprechen, die nicht von A nach B laufen wollen. Bis zum Jahresende gibt es an jedem zweiten Samstag im Monat geführte Wanderungen auf einer der neuen Routen.
Idealer Ausgangspunkt für all diese Wege ist die stolze Salz- und Hansestadt Lüneburg, der man früheren Reichtum schon auf den ersten Blick ansieht. Wie CityGuide Caroline Schäfer berichtet, wurde hier bis 1980 mehr als 1000 Jahre lang Salz gewonnen. Im Binnenhafen an der Illmenau kann man noch heute den „alten Kran“bewundern, mit dem das Salz in jene Transportboote verladen wurde, die es durch den Stecknitz-Kanal nach Lübeck brachten.
Doch die intensive Salzgewinnung bringt auch Nachteile mit sich. Ein ganzes Stadtviertel Lüneburgs – die westliche Altstadt – versinkt. Die durch die Salzentnahme entstandenen Hohlräume in der Tiefe sorgen dafür, dass Häuser und sogar eine ganze Kirche langsam absinken. Einige Häuser mussten schon geräumt werden. Die Saline kann nicht mehr dafür haftbar gemacht werden, sie hat ihre Tätigkeit schon vor mehr als 40 Jahren eingestellt.