„Augenhöhe ist der Schlüssel zu Engagement“
INTERVIEW. New Work heißt das Modewort. Gemeint ist, dass immer mehr Menschen Arbeit auf Augenhöhe fordern. Kann uns diese Wertschätzung aus der Krise helfen? Expertin Lena Marie Glaser im Gespräch.
Frau Glaser, Sie hatten einen sicheren Job als Juristin in einem Ministerium. Trotzdem kündigten Sie, weil sie erschöpft waren. Haben Sie jetzt das Paradies gefunden?
LENA MARIE GLASER: Ich musste mich am Ende wirklich in die Arbeit schleppen und wusste, so will ich nicht mehr, auch wenn viele mir sagten: „Du bist verrückt.“Das Leben als Gründerin ist manchmal auch echt hart, denn die Selbstständigkeit ist unsicher und erfordert sehr viel persönliches Engagement. Doch so habe ich eine Art von Freiheit gewonnen, die mich jeden Tag motiviert. Ich kann jetzt nach meinen Bedürfnissen arbeiten. Trotzdem ist mein Rat nicht: Macht euch alle selbstständig. Vielmehr geht es darum, in den Firmen ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Menschen Perspektiven haben und bleiben wollen.
Bleiben wir gleich bei den Bedürfnissen. Ein Kommentar einer jungen Journalistin, die aber schon Führungskraft ist,
hat kürzlich viel Unmut ausgelöst. Sie schrieb „Generation Z, wir müssen über eure Arbeitsmoral reden!“und beschrieb da flapsige Sprachnachrichten, weil die Person gerade das Bedürfnis hatte, nicht zu arbeiten. Ist die Generation Z verwöhnt?
Solche Beobachtungen höre ich oft, weil ich mich viel in Führungsetagen bei Unternehmen aufhalte. Aber ich warne echt davor, eine ganze Generation als faul abzustempeln. Hier sind die Führungskräfte gefordert. Sie müssen aufmerksam zuhören und klar einfordern, was sie brauchen, aber eben auf Augenhöhe. Das macht doch den Unterschied aus. Es geht um Dialog und Klarheit. Das ist für ältere Führungskräfte oft schwer, aber nur so kann Arbeit auf Augenhöhe funktionieren.
Burn-out ist in vielen Branchen und vielen Biografien ein Thema und schreckt zu Recht ab, andererseits ist eine individuelle Work-Life-Balance schwer umsetzbar. Wo stehen wir?
Hier gibt es wirklich einen
denn meine Generation, also die Millennials, fordert die Work-Life-Balance schon im Bewerbungsgespräch. Wir sind schon mit Anfang 30 vielfach sehr erschöpft und wir haben das Burn-out quasi in Griffweite. Die Folge ist oft, dass nur mehr das Notwendigste gemacht wird, man spricht dann von innerer Kündigung oder es wird eben auch wirklich gekündigt, ohne eine Alternative zu haben.
In einer Studie des Personaldienstleisters Randstad wurden 35.000 junge Arbeitnehmer aus 35 Ländern befragt. 56 Prozent der Generation Z gaben an, dass sie kündigen würden, wenn ihre Arbeit sie daran hindern würde, das Leben zu genießen. Ist das nicht auch die Haltung einer sehr privilegierten Schicht, weil wenn ich Existenzsorgen habe, muss ich es ohnehin anders machen, oder?
Die Frage ist: Warum werden diese Bedürfnisse artikuliert? Weil die Arbeitsrealität in vielen Unternehmen einfach so ist, dass der Mensch nicht gesehen wird. Und sie
erleben bei ihren Eltern, dass der Job kaum Zeit für die Familie, Freunde und private Interessen lässt. Als Resultat wollen sie selbst besser damit umgehen.
Dennoch braucht man Ressourcen, um diese Ansprüche stellen zu können. Wer ist also mit diesem New Work-Gedanken gemeint? Die Mittel- und Oberschicht?
Es wird oft gesagt, dass dieser New Work-Begriff elitär ist und ja, wenn man etwa das Thema Homeoffice als New Work versteht, dann schließt es sehr viele aus, die in ihrem Job das einfach gar nicht könGenerationen-Crash, nen, weil der Job anders ist. Der Gedanke von Augenhöhe aber beschäftigt alle – egal ob Lehrling, Arbeiterin oder Angestellter. Es ist der Wunsch nach Arbeitsbedingungen, die auch die eigenen Bedürfnisse zulassen und Arbeitgeber, die respektvoll und wertschätzend sind. Dieser Wunsch ist nicht elitär und es betrifft den Bäcker wie den Großkonzern.
Was ist es denn nun, sieht man sich die Arbeitsbedingungen an, das so sehr fehlt?
Ein Aspekt, der vor allem durch die Pandemie stark wurde, ist das Gemeinschaftsgefühl und damit verbunden Mitgestaltungsmöglichkeiten und transparente Kommunikation. Gerade die Jüngeren möchten erleben, dass man an einem Strang zieht, dass es Teamspirit gibt, dass sie gehört werden und fair behandelt werden. Das passiert leider viel zu selten. Meistens ist es eben so, dass jemand von oben herab bestimmt. Arbeit auf Augenhöhe ist so auch der Schlüssel zu mehr Engagement und besserer Leistung.