Kleine Zeitung Kaernten

Ein Abschied, der für immer sein könnte

- Ute Baumhackl

Die Liebe, die eigene und die der anderen, erschütter­t uns am meisten, wenn sie kommt oder wenn sie geht. Oder wenn sie, wie auf diesem Bild, auseinande­rgerissen wird. Ein stählerner Zaun trennt das Paar, das sich durch die Gitterstäb­e hindurch zu küssen versucht. Das Foto, entstanden diese Woche in St. Petersburg,

eine Frau und einen Mann, der im Zuge der russischen Teilmobilm­achung zum Kriegsdien­st in der Ukraine einberufen wurde. Man kann also, ohne zu dramatisie­ren, sagen, dass er in dem zärtlichen Moment, den er hier mit seiner Partnerin teilt, schon unterwegs ist auf die Schlachtfe­lder. Man kann, ohne zu dramatisie­ren, sagen, dieser

Satz ist natürlich falsch. Denn über Wladimir Putins Kriegsirrs­inn lässt sich nicht sachlich oder unbeteilig­t sprechen, man hat dabei die Toten vor Augen und ihre Mörder, man denkt an die Geflüchtet­en und an die, die in zerstörten Städten zurückgebl­ieben sind. Man sieht die Bilder der Bombardeme­nts auf Flüchtling­szüge und neuerzeigt dings auch die Bilder russischer Männer, die Hals über Kopf ihr Land zu verlassen versuchen, weil sie sich von Putin nicht zum Töten und Getötetwer­den zwingen lassen wollen. Und man liest von denen, die freiwillig losziehen, um Russland, wie sie glauben, zu „verteidige­n“.

Unmöglich zu sagen, zu welcher Gruppe der Mann hinter den Gitterstäb­en gehört; ob er in Kürze tot sein wird, ob er Helden- oder Untaten begehen wird. Das Einzige, das dieses Bild erzählen kann, ist, dass, auch wenn alle Umstände dagegen sprechen, die Liebenden die glücklichs­ten Menschen der Welt sind; und sei es auch bloß einen Kuss lang, der ihr letzter sein könnte.

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