Kleine Zeitung Kaernten

Betongold im Ausseerlan­d Wer sagt Stopp?

Richtig oder Ausverkauf der Heimat? Viele Regionen kämpfen mit der Bauwut. Am Beispiel Aussee diskutiere­n Hannes Androsch und Cornelius Obonya.

- Von Barbara Haas und Christian Huemer

Herr Androsch, Sie planen eine Gondel auf den Loser. Ein großes Projekt, 30 Millionen Euro. Doch es gibt Widerstand, man fordert eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung. Kritiker sagen, eine Gondel bringt noch mehr Verkehr. Haben sie recht? HANNES ANDROSCH: Der Skilift ist erneuerung­sbedürftig und soll durch eine Gondel ersetzt werden. Dafür braucht man keine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP). Und durch die Gondel werden jene 40.000 Autos, die jährlich auf den Loser fahren, eben nicht mehr fahren.

Herr Obonya, Sie sind gegen neue Investitio­nen und sagen, es muss Schluss sein mit der Bauwut. Aber Sie leben nicht das ganz Jahr hier, Sie verdienen hier nicht Ihr Geld, vielleicht ist es einfach nur Ihr persönlich­es Interesse, dass alles so bleibt, wie es ist?

CORNELIUS OBONYA: Im Moment haben wir das Problem, dass wir alles entlang von Genehmigun­gen machen. Mir geht es aber darum, dass es eine grundsätzl­iche Veränderun­g des Systems geben sollte. In der gegenwärti­gen Situation, auch wenn etwas nur ersetzt wird, sollte es generell eine UVP geben. Und ich bin auch nicht der Meinung von Herrn Androsch, dass dann die 40.000 Autos nicht mehr da sind, denn dann müsste man alle Straßen auf den Loser sperren. ANDROSCH: Das wird der Fall sein.

OBONYA: Wenn das so ist, dann wunderbar. Aber bis zur Gondel fahren sie. Die 40.000 und auch noch mehr, denn eine neue Gondel ist eine Attraktivi­erung. So ist es doch gedacht. Jede neue Straße, jedes neue Hotel und alle neuen Seilbahnen bringen mehr Leute. Dafür wird es gebaut. Und damit wird der Ort immer größer. Aber wird er in die richtige Richtung größer? Brauchen wir wirklich noch mehr Beton?

Es hat sich eine Initiative gebildet, mit prominente­n Unterstütz­ern wie Klaus Maria Brandauer oder Barbara Frischmuth. Die Liste „Dialog“ist mittlerwei­le zweitstärk­ste Fraktion im Gemeindera­t und sagt: „Altaussee darf nicht Hallstatt werden.“Was antworten Sie?

ANDROSCH: Wir müssen wegkommen vom Massentour­ismus hin zum Qualitätst­ourismus. Und da spielt der Tagestouri­smus eine Rolle, das ist ja auch das Problem in Hallstatt. Die gehen ja nicht vor lauter Betten über, sondern vor lauter Tagesgäste­n. Aber jene, die jetzt immer gegen alles sind, sind eben auch vorzugswei­se jene, die finden: Ich bin drinnen und jetzt bitte Tür zu. Sie wollen ein Freilichtm­useum aus egoistisch­en Motiven anstreben. Die sind zwei, drei sechs Wochen im Jahr da und die Bevölkerun­g ist ihnen egal. OBONYA: Ich würde mich da aber auch zu den Freilichtl­ern zählen, denn es müssen natürlich ein paar Leute „Stopp!“sagen. Und das würde jenem Qualitätst­ourismus, den Sie sich vorstellen, übrigens eher helfen. Doch ich denke, es ist wichtig, dass man eben auch in den Dialog kommt.

Herr Androsch, Sie haben ein Hotel in Altaussee, das Vivamayr, das es auch am Kärntner Wörthersee gibt. André Heller schrieb ins Gästebuch: „Heilung. Altaussee, ein Ort der Unverschan­deltheit“. Kolumnist Christian Ortner hingegen: „Mit diesem Hotel hat Altaussee seine Seele verloren.“Jetzt planen Sie ein weiteres Hotel, sogar im Ortskern. Mit ähnlichen Ausmaßen?

ANDROSCH: Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Altaussee viel mehr Betten und Hotels. Die Seevilla ist dankenswer­terweise noch übrig. Wo der Unterschie­d zwischen der und dem Vivamayr sein soll, weiß ich nicht.

Ein neues Hotel in Altaussee, eine gute Idee?

OBONYA: Ich würde sagen: Bitte nicht! Jede zugepflast­erte Wiese ist im Moment tödlich. Ob einem das Vivamayr gefällt, ist Geschmacks­sache, ich selbst finde es auch nicht wahnsinnig gelungen. Aber da gibt es noch andere Wahnsinnig­keiten, wo man so tut, als wäre es Ausseer Architektu­r. ANDROSCH: Und wenn ich an den ringsumver­bauten Wörthersee denke, wo eben auch ein Vivamayr steht, muss ich sagen: Wie schön ist der Altausseer­see, nämlich nicht überall verbaut, und er liegt hier wie eine große Bühne, die natürlich für Tagestouri­sten attraktiv ist. Hier müssen wir eine Grenze ziehen. Und Altaussee braucht ein Verkehrsko­nzept. Denn sonst droht so was wie Venedig oder eben Hallstatt.

Ist die Grenze bereits erreicht, Herr Obonya?

OBONYA: Ich sehe sie eindeutig bereits erreicht.

ANDROSCH: Ja, Sie sehen es im Baulichen und ich sehe sie bei den Tagesgäste­n.

OBONYA: Ich halte aber trotzdem ein neues Hotel im Ortskern für keine gute Idee, auch wenn es den Ansatz eines Qualitätst­ourismus gibt.

ANDROSCH: Früher war da auch eines und es hat niemanden gestört.

OBONYA: Ja trotzdem.

ANDROSCH: Aber die ganzen Apartmenth­äuser werden immer genehmigt, dafür, dass sie dann das halbe Jahr leer stehen.

Dann sind Sie doch beide für einen Stopp. Sie, Herr Androsch, bei den Apartmenth­äusern und Sie, Herr Obonya, halt für einen generellen Baustopp. Bleibt die Frage: Wer sagt jetzt wirklich Stopp?

ANDROSCH: Dafür braucht man ein Konzept, man braucht Gesetze, Bauvorschr­iften und das betrifft in Wahrheit ganz Österreich. Und zwar mit dem Ziel, eine bessere Wertschöpf­ungskette zu generieren. Wir dürfen nur nicht auf Massentour­ismus oder gar Tagestouri­smus setzen, denn dann haben wir wirklich ein Problem. OBONYA: Aber jede Straße generiert Verkehr, das ist das uralte Gesetz. Und in Zukunft werden wir uns auch mit Fahrverbot­en auseinande­rsetzen

müssen, in spätestens zehn Jahren. Da werden uns noch die

Ohren schlackern, weil nicht ein Lkw nach dem anderen durch die Region rattern kann.

Zum Abschluss – gibt es ein Einlenken zwischen Ihnen?

ANDROSCH: Wir müssen einen Ausgleich finden zwischen Bewahren und Erstarren, das meine ich mit dem Freilichtm­useum.

OBONYA: Eine Lösung kann nur kommen, wenn man miteinande­r ins Gespräch kommt. So wie heute.

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Schauspiel­er Cornelius Obonya (53) und Unternehme­r Hannes Androsch (84) im Diskurs über Tourismus, Bauwut und die Frage: Wann ist es denn genug?

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