Betongold im Ausseerland Wer sagt Stopp?
Richtig oder Ausverkauf der Heimat? Viele Regionen kämpfen mit der Bauwut. Am Beispiel Aussee diskutieren Hannes Androsch und Cornelius Obonya.
Herr Androsch, Sie planen eine Gondel auf den Loser. Ein großes Projekt, 30 Millionen Euro. Doch es gibt Widerstand, man fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Kritiker sagen, eine Gondel bringt noch mehr Verkehr. Haben sie recht? HANNES ANDROSCH: Der Skilift ist erneuerungsbedürftig und soll durch eine Gondel ersetzt werden. Dafür braucht man keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Und durch die Gondel werden jene 40.000 Autos, die jährlich auf den Loser fahren, eben nicht mehr fahren.
Herr Obonya, Sie sind gegen neue Investitionen und sagen, es muss Schluss sein mit der Bauwut. Aber Sie leben nicht das ganz Jahr hier, Sie verdienen hier nicht Ihr Geld, vielleicht ist es einfach nur Ihr persönliches Interesse, dass alles so bleibt, wie es ist?
CORNELIUS OBONYA: Im Moment haben wir das Problem, dass wir alles entlang von Genehmigungen machen. Mir geht es aber darum, dass es eine grundsätzliche Veränderung des Systems geben sollte. In der gegenwärtigen Situation, auch wenn etwas nur ersetzt wird, sollte es generell eine UVP geben. Und ich bin auch nicht der Meinung von Herrn Androsch, dass dann die 40.000 Autos nicht mehr da sind, denn dann müsste man alle Straßen auf den Loser sperren. ANDROSCH: Das wird der Fall sein.
OBONYA: Wenn das so ist, dann wunderbar. Aber bis zur Gondel fahren sie. Die 40.000 und auch noch mehr, denn eine neue Gondel ist eine Attraktivierung. So ist es doch gedacht. Jede neue Straße, jedes neue Hotel und alle neuen Seilbahnen bringen mehr Leute. Dafür wird es gebaut. Und damit wird der Ort immer größer. Aber wird er in die richtige Richtung größer? Brauchen wir wirklich noch mehr Beton?
Es hat sich eine Initiative gebildet, mit prominenten Unterstützern wie Klaus Maria Brandauer oder Barbara Frischmuth. Die Liste „Dialog“ist mittlerweile zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat und sagt: „Altaussee darf nicht Hallstatt werden.“Was antworten Sie?
ANDROSCH: Wir müssen wegkommen vom Massentourismus hin zum Qualitätstourismus. Und da spielt der Tagestourismus eine Rolle, das ist ja auch das Problem in Hallstatt. Die gehen ja nicht vor lauter Betten über, sondern vor lauter Tagesgästen. Aber jene, die jetzt immer gegen alles sind, sind eben auch vorzugsweise jene, die finden: Ich bin drinnen und jetzt bitte Tür zu. Sie wollen ein Freilichtmuseum aus egoistischen Motiven anstreben. Die sind zwei, drei sechs Wochen im Jahr da und die Bevölkerung ist ihnen egal. OBONYA: Ich würde mich da aber auch zu den Freilichtlern zählen, denn es müssen natürlich ein paar Leute „Stopp!“sagen. Und das würde jenem Qualitätstourismus, den Sie sich vorstellen, übrigens eher helfen. Doch ich denke, es ist wichtig, dass man eben auch in den Dialog kommt.
Herr Androsch, Sie haben ein Hotel in Altaussee, das Vivamayr, das es auch am Kärntner Wörthersee gibt. André Heller schrieb ins Gästebuch: „Heilung. Altaussee, ein Ort der Unverschandeltheit“. Kolumnist Christian Ortner hingegen: „Mit diesem Hotel hat Altaussee seine Seele verloren.“Jetzt planen Sie ein weiteres Hotel, sogar im Ortskern. Mit ähnlichen Ausmaßen?
ANDROSCH: Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Altaussee viel mehr Betten und Hotels. Die Seevilla ist dankenswerterweise noch übrig. Wo der Unterschied zwischen der und dem Vivamayr sein soll, weiß ich nicht.
Ein neues Hotel in Altaussee, eine gute Idee?
OBONYA: Ich würde sagen: Bitte nicht! Jede zugepflasterte Wiese ist im Moment tödlich. Ob einem das Vivamayr gefällt, ist Geschmackssache, ich selbst finde es auch nicht wahnsinnig gelungen. Aber da gibt es noch andere Wahnsinnigkeiten, wo man so tut, als wäre es Ausseer Architektur. ANDROSCH: Und wenn ich an den ringsumverbauten Wörthersee denke, wo eben auch ein Vivamayr steht, muss ich sagen: Wie schön ist der Altausseersee, nämlich nicht überall verbaut, und er liegt hier wie eine große Bühne, die natürlich für Tagestouristen attraktiv ist. Hier müssen wir eine Grenze ziehen. Und Altaussee braucht ein Verkehrskonzept. Denn sonst droht so was wie Venedig oder eben Hallstatt.
Ist die Grenze bereits erreicht, Herr Obonya?
OBONYA: Ich sehe sie eindeutig bereits erreicht.
ANDROSCH: Ja, Sie sehen es im Baulichen und ich sehe sie bei den Tagesgästen.
OBONYA: Ich halte aber trotzdem ein neues Hotel im Ortskern für keine gute Idee, auch wenn es den Ansatz eines Qualitätstourismus gibt.
ANDROSCH: Früher war da auch eines und es hat niemanden gestört.
OBONYA: Ja trotzdem.
ANDROSCH: Aber die ganzen Apartmenthäuser werden immer genehmigt, dafür, dass sie dann das halbe Jahr leer stehen.
Dann sind Sie doch beide für einen Stopp. Sie, Herr Androsch, bei den Apartmenthäusern und Sie, Herr Obonya, halt für einen generellen Baustopp. Bleibt die Frage: Wer sagt jetzt wirklich Stopp?
ANDROSCH: Dafür braucht man ein Konzept, man braucht Gesetze, Bauvorschriften und das betrifft in Wahrheit ganz Österreich. Und zwar mit dem Ziel, eine bessere Wertschöpfungskette zu generieren. Wir dürfen nur nicht auf Massentourismus oder gar Tagestourismus setzen, denn dann haben wir wirklich ein Problem. OBONYA: Aber jede Straße generiert Verkehr, das ist das uralte Gesetz. Und in Zukunft werden wir uns auch mit Fahrverboten auseinandersetzen
müssen, in spätestens zehn Jahren. Da werden uns noch die
Ohren schlackern, weil nicht ein Lkw nach dem anderen durch die Region rattern kann.
Zum Abschluss – gibt es ein Einlenken zwischen Ihnen?
ANDROSCH: Wir müssen einen Ausgleich finden zwischen Bewahren und Erstarren, das meine ich mit dem Freilichtmuseum.
OBONYA: Eine Lösung kann nur kommen, wenn man miteinander ins Gespräch kommt. So wie heute.