Die Hoffnung ist weiblich
Proteste, Gefangene und Tote sind im Iran leider nichts Neues. Neu ist aber der Mut, mit dem sich die Frauen gegen die Kontrolle über ihre Körper zur Wehr setzen – und die weltweite Solidarität.
Zwei junge Frauen sitzen in einem Café und frühstücken so, wie es Frauen in den Metropolen rund um den Globus jeden Morgen tun. Eine der beiden heißt Donya Rad. Sie hat sich dabei fotografieren lassen und das Foto in den sozialen Medien geteilt. Dieses Foto, auf den ersten Blick völlig unspektakulär, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Warum? Donya Rad ist Iranerin und die Metropole Teheran – doch sie sitzt da ohne Kopftuch. Mit diesem kurzen Akt der Selbstbestimmung schenkte sie vor wenigen Tagen Millionen Menschen, auch mir, Hoffnung auf eine Zukunft, in der das normal sein könnte. Sie zahlt dafür einen hohen Preis, und sie wird sich dessen bewusst gewesen sein: Medienberichten zufolge hat das MullahRegime sie inzwischen in das Evin-Gefängnis einkerkern lassen. Allein der Name „Evin“löst bei Iranerinnen und Iranern einen Schauer des Schreckens aus.
Ich könnte etliche solcher Geschichten erzählen, ich könnte etliche Namen junger Menschen nennen, die sich den staatlichen Schlägertrupps entgegenstellten und jetzt tot sind, viele von ihnen wurden erschossen. Seit die Proteste vor zwei Wochen begannen, ausgelöst durch den Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Jina Amini mutmaßlich in Gewahrsam der Sittenpolizei, haben laut der Organisation Iran Human Rights mehr als 80 Menschen ihr Leben gewaltvoll verloren. Geschätzt Tausende wurden inhaftiert. s sind nicht die ersten Proteste, Toten und Gefangenen im Iran. Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen wie ich weltweit hoffen, dass sich etwas verändert, dass wir morgen unsere Koffer packen und in ein freies Land reisen können – ohne Angst und Schikane. 1999 hofften wir, als die Studenten auf die Straßen gingen. 2009 hofften wir, als die städtische Mittelschicht nach Mahmud Ahmadinedschads gestohlenem Wahlsieg ihre Stimme erhob. 2019 hofften wir, als die armen Bevölkerungsschichten gegen die Benzinpreiserhöhungen aufbegehrten.
Doch während ich in der Vergangenheit hoffte, ahnte ich bereits, dass es wieder nicht reichen würde. Das ist dieses Mal anders, dieses Mal haben sich die iranischen Frauen quer durch die Gesellschaft zusam
Emengeschlossen und, wichtig, die Männern stehen ihnen zur Seite. Denn als die Iranerinnen 1979 kurz nach der Islamischen Revolution gegen den Kopftuchzwang auf die Straße strömten, winkten diese noch ab. Das sei jetzt nicht das Hauptproblem, sagten sie.
Doch inzwischen wissen sie: Wenn Politik, wenn eine Regierung ihre Macht manifestiert, indem sie sie auf die Körper von Frauen ausdehnt, in welcher Form auch immer, dann ist das ein Hauptproblem. Weil es darauf hinweist, dass etwas an der Politik, an der Regierung massiv krankt. Das gilt überall auf der Welt, und das spüren oder erahnen zumindest Frauen überall auf der Welt. Das erklärt die große Solidaritätswelle, die die Iranerinnen dieses Mal erfahren – auch das ist anders als bei den bisherigen Protesten. estern haben Menschen von Quito bis Tokio, von Perth bis Izmir, in mehr als 150 Städten demonstriert. Und sie haben das Bild von Mahsa Jina Amini in die Höhe gehalten, einer unpolitischen, kurdischen Iranerin, die mutmaßlich sterben musste, weil Männer fanden, dass eine Haarsträhne zu viel aus ihrem Kopftuch hervorlugte. Es könnte keine bessere Gelegenheit für die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock geben, zu zeigen, was sie unter feministischer Außenpolitik versteht.
Menschen von Quito bis Tokio, von Perth bis Izmir haben protestiert gegen das Mullah-Regime.
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