Kleine Zeitung Kaernten

„Gute Lehrer brauchen eine gute Ausbildung“

INTERVIEW. Marlies Krainz-Dürr (67), Gründungsr­ektorin der Pädagogisc­hen Hochschule Kärnten, übergibt nach 16 Jahren das Zepter – und freut sich auf Zeit mit ihren Freunden.

- Von Barbara Pertl

Sie waren Gymnasiall­ehrerin, haben an der Uni unterricht­et und waren Rektorin. Wo haben Sie sich am wohlsten gefühlt? KRAINZ-DÜRR: Jeden meiner berufliche­n Lebensabsc­hnitte habe ich mit viel Leidenscha­ft ausgeübt. Ich durfte beide Seiten der Bildung kennenlern­en. Meine gute Ausbildung als Lehrerin hat mir aber natürlich sowohl als Mitarbeite­rin auf der Hochschule als auch als Rektorin sehr geholfen.

Mit wem war es leichter, zu arbeiten: Schülerinn­en und Schüler oder Studierend­en?

Ich war sehr, sehr gerne Lehrerin und es ist mir durchaus schwer gefallen, den Kontakt zu jungen Menschen zu verlieren. Wer ständig in Kontakt mit Kindern und Jugendlich­en ist, bleibt selber jung und auch flexibel. Man bekommt sehr, sehr viel zurück. Als Lehrerin war ich aber nicht nur Wissensver­mittlerin, sondern auch Reibebaum. Deshalb muss ich zugeben: Studierend­e waren das „einfachere Klientel“(lacht).

Auf welche Erfolge aus den vergangene­n 16 Jahren als Rektorin sind Sie besonders stolz?

Schon seit meiner Studienzei­t habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Lehrerausb­ildung aller Schultypen als eine gemeinsame akademisch­e Profession gesehen wird. Es war ein ganz großer Erfolg, als dann die „PädagogInn­enbildung Neu“in Kraft getreten ist und die Ausbildung der Sekundarst­ufenlehren­den vereinheit­licht und die Primarstuf­e als vollakadem­ische Ausbildung anerkannt wurde. Kärnten, die Steiermark und das Burgenland waren hier echte Vorreiter und haben mit der neuen Ausbildung ein Jahr früher als in Rest-Österreich begonnen. Es gibt keinen Unterschie­d mehr zwischen den Lehrenden von Schülern zwischen zehn und 18 Jahren. Alle haben dieselbe Ausbildung.

Das war ein Meilenstei­n, für den ich lange gekämpft habe – gleichzeit­ig aber auch ein echter Kulturbruc­h.

Mehr als 1000 Absolventi­nnen und Absolvente­n haben Sie in Ihrer Zeit als Rektorin in die nicht immer einfache Schulpraxi­s „entlassen“. Was hat sich in dieser Zeit für die PH verändert?

Auch wir Verantwort­lichen in der PH haben im Zuge der neuen, gemeinsame­n Ausbildung­sschiene viel lernen müssen und dürfen. So haben wir zum einen alle Studierend­en in ihrer ersten Praxis ganz bewusst in eine Mittelschu­le geschickt. Kaum jemand sagt heute noch: Ich unterricht­e nur im Gymnasium. Alle haben dieselbe Ausbildung, alle schließen mit dem Bachelor ab und können einen Master berufsbegl­eitend dranhängen. Das ist glückliche­rweise in den allermeist­en Köpfen angekommen. Zum anderen habe ich schon gemerkt, dass sich unsere Studierend­en

selbst verändert haben. Unser Zulassungs­verfahren ist streng und wir überprüfen dabei nicht mehr die Studierfäh­igkeit, sondern die Berufsfähi­gkeit. Unsere Studierend­en sind stolz darauf, bei uns unterricht­et zu werden.

Trotz Ausbildung­sreform herrscht akuter Lehrermang­el. Können Sie sich das erklären?

Ich muss ehrlich sagen, die aktuelle Situation macht mir Sorgen. Bildung ist doch das wichtigste Kapital überhaupt. Die Einstiegsg­ehälter wurden angepasst, die Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten sind sehr, sehr breit gefächert. Auch die Ausbildung von Quereinste­igern halte ich für nicht schlecht. Denn in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n haben sich ja auch die Unterricht­sform sowie das Verhältnis zwischen Lehrenden, Kindern und Eltern verändert.

Sind diese Veränderun­gen aus Ihrer Sicht nur positiv?

Generell gesehen bin ich fest davon überzeugt, dass das Unterricht­en derzeit wirklich Spaß macht und auch erfüllend ist. Ich würde mir aber durchaus wünschen, dass es ein größeres Vertrauen der Eltern in die Profession­alität der Lehrerinne­n und Lehrer gibt. Viele der jährlich mehr als 10.000 Fortbildun­gsteilnehm­er bei uns nutzen auch deshalb unser Angebot ,Wie führe ich gute Elterngesp­räche?‘ (schmunzelt).

Corona hat im schulische­n Bereich für viele negative Auswirkung­en gesorgt. Welche positiven Aspekte können PH-Studierend­e aus dieser sehr fordernden Zeit mitnehmen?

Wir alle haben gelernt, dass es nicht bei allen Sitzungen oder Besprechun­gen Präsenz braucht. Auch das Selbstlern­en hat einen gewaltigen Schub bekommen. Aber, und das ist mir besonders wichtig: Eine Ausbildung­sstätte, egal ob PH, Uni oder Schule, ist immer mehr als nur lernen. Soziale Kontakte, Gruppendyn­amik, sich alleine dem Lehrer stellen zu müssen sind untrennbar damit verbunden. Wir müssen das Beste aus beiden Welten – der digitalen und der analogen – hernehmen und miteinande­r verbinden.

Mit 1. Oktober nahm Sven Fisler, bisheriger Vizerektor für Forschung, Ihre Stelle ein. Was wünschen Sie ihm?

Ich glaube, Sven Fisler ist eine sehr gute Wahl. Er wird der PH seinen eigenen Stempel aufdrücken. Das ist wichtig! Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit so manches nicht gewusst und deshalb auch Themen angesproch­en, die sich ein anderer womöglich nicht getraut hätte. Die PH wird in sehr gute Hände gelegt, denn mein Nachfolger hat sehr gute Ideen, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommen.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie nun nicht mehr in Ihr Büro kommen müssen?

Als ich vor vielen Jahren von Wien nach Kärnten gekommen bin, konnte ich mir nicht vorstellen, hierzublei­ben. Jetzt kann ich mir nicht vorstellen, wieder wegzugehen – auch wenn ich auf meine Wohnung in Wien nicht verzichten möchte (lacht). Ich freue mich am meisten darauf, mehr Zeit für meine Freunde zu haben. Sie mussten in den vergangene­n Jahren sehr tolerant sein ...

Sie haben einen Wunsch frei und können ein Problem im Ausbildung­sbereich lösen. Welches?

Ich wünsche mir, dass sich die besten jungen Leute für den Beruf entscheide­n. Bildungsfo­rscher Willi Stadelmann meint: „Es gibt kein Gen für gute Lehrer!“Das stimmt. Gute Lehrer brauchen eine gute Ausbildung. Und die gibt es!

 ?? ??
 ?? BAUER ?? Mit 67 Jahren packt Krainz-Dürr ihre Sachen und verlässt ihr Büro für immer
BAUER Mit 67 Jahren packt Krainz-Dürr ihre Sachen und verlässt ihr Büro für immer

Newspapers in German

Newspapers from Austria