„Gute Lehrer brauchen eine gute Ausbildung“
INTERVIEW. Marlies Krainz-Dürr (67), Gründungsrektorin der Pädagogischen Hochschule Kärnten, übergibt nach 16 Jahren das Zepter – und freut sich auf Zeit mit ihren Freunden.
Sie waren Gymnasiallehrerin, haben an der Uni unterrichtet und waren Rektorin. Wo haben Sie sich am wohlsten gefühlt? KRAINZ-DÜRR: Jeden meiner beruflichen Lebensabschnitte habe ich mit viel Leidenschaft ausgeübt. Ich durfte beide Seiten der Bildung kennenlernen. Meine gute Ausbildung als Lehrerin hat mir aber natürlich sowohl als Mitarbeiterin auf der Hochschule als auch als Rektorin sehr geholfen.
Mit wem war es leichter, zu arbeiten: Schülerinnen und Schüler oder Studierenden?
Ich war sehr, sehr gerne Lehrerin und es ist mir durchaus schwer gefallen, den Kontakt zu jungen Menschen zu verlieren. Wer ständig in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen ist, bleibt selber jung und auch flexibel. Man bekommt sehr, sehr viel zurück. Als Lehrerin war ich aber nicht nur Wissensvermittlerin, sondern auch Reibebaum. Deshalb muss ich zugeben: Studierende waren das „einfachere Klientel“(lacht).
Auf welche Erfolge aus den vergangenen 16 Jahren als Rektorin sind Sie besonders stolz?
Schon seit meiner Studienzeit habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Lehrerausbildung aller Schultypen als eine gemeinsame akademische Profession gesehen wird. Es war ein ganz großer Erfolg, als dann die „PädagogInnenbildung Neu“in Kraft getreten ist und die Ausbildung der Sekundarstufenlehrenden vereinheitlicht und die Primarstufe als vollakademische Ausbildung anerkannt wurde. Kärnten, die Steiermark und das Burgenland waren hier echte Vorreiter und haben mit der neuen Ausbildung ein Jahr früher als in Rest-Österreich begonnen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den Lehrenden von Schülern zwischen zehn und 18 Jahren. Alle haben dieselbe Ausbildung.
Das war ein Meilenstein, für den ich lange gekämpft habe – gleichzeitig aber auch ein echter Kulturbruch.
Mehr als 1000 Absolventinnen und Absolventen haben Sie in Ihrer Zeit als Rektorin in die nicht immer einfache Schulpraxis „entlassen“. Was hat sich in dieser Zeit für die PH verändert?
Auch wir Verantwortlichen in der PH haben im Zuge der neuen, gemeinsamen Ausbildungsschiene viel lernen müssen und dürfen. So haben wir zum einen alle Studierenden in ihrer ersten Praxis ganz bewusst in eine Mittelschule geschickt. Kaum jemand sagt heute noch: Ich unterrichte nur im Gymnasium. Alle haben dieselbe Ausbildung, alle schließen mit dem Bachelor ab und können einen Master berufsbegleitend dranhängen. Das ist glücklicherweise in den allermeisten Köpfen angekommen. Zum anderen habe ich schon gemerkt, dass sich unsere Studierenden
selbst verändert haben. Unser Zulassungsverfahren ist streng und wir überprüfen dabei nicht mehr die Studierfähigkeit, sondern die Berufsfähigkeit. Unsere Studierenden sind stolz darauf, bei uns unterrichtet zu werden.
Trotz Ausbildungsreform herrscht akuter Lehrermangel. Können Sie sich das erklären?
Ich muss ehrlich sagen, die aktuelle Situation macht mir Sorgen. Bildung ist doch das wichtigste Kapital überhaupt. Die Einstiegsgehälter wurden angepasst, die Weiterbildungsmöglichkeiten sind sehr, sehr breit gefächert. Auch die Ausbildung von Quereinsteigern halte ich für nicht schlecht. Denn in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben sich ja auch die Unterrichtsform sowie das Verhältnis zwischen Lehrenden, Kindern und Eltern verändert.
Sind diese Veränderungen aus Ihrer Sicht nur positiv?
Generell gesehen bin ich fest davon überzeugt, dass das Unterrichten derzeit wirklich Spaß macht und auch erfüllend ist. Ich würde mir aber durchaus wünschen, dass es ein größeres Vertrauen der Eltern in die Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer gibt. Viele der jährlich mehr als 10.000 Fortbildungsteilnehmer bei uns nutzen auch deshalb unser Angebot ,Wie führe ich gute Elterngespräche?‘ (schmunzelt).
Corona hat im schulischen Bereich für viele negative Auswirkungen gesorgt. Welche positiven Aspekte können PH-Studierende aus dieser sehr fordernden Zeit mitnehmen?
Wir alle haben gelernt, dass es nicht bei allen Sitzungen oder Besprechungen Präsenz braucht. Auch das Selbstlernen hat einen gewaltigen Schub bekommen. Aber, und das ist mir besonders wichtig: Eine Ausbildungsstätte, egal ob PH, Uni oder Schule, ist immer mehr als nur lernen. Soziale Kontakte, Gruppendynamik, sich alleine dem Lehrer stellen zu müssen sind untrennbar damit verbunden. Wir müssen das Beste aus beiden Welten – der digitalen und der analogen – hernehmen und miteinander verbinden.
Mit 1. Oktober nahm Sven Fisler, bisheriger Vizerektor für Forschung, Ihre Stelle ein. Was wünschen Sie ihm?
Ich glaube, Sven Fisler ist eine sehr gute Wahl. Er wird der PH seinen eigenen Stempel aufdrücken. Das ist wichtig! Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit so manches nicht gewusst und deshalb auch Themen angesprochen, die sich ein anderer womöglich nicht getraut hätte. Die PH wird in sehr gute Hände gelegt, denn mein Nachfolger hat sehr gute Ideen, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommen.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie nun nicht mehr in Ihr Büro kommen müssen?
Als ich vor vielen Jahren von Wien nach Kärnten gekommen bin, konnte ich mir nicht vorstellen, hierzubleiben. Jetzt kann ich mir nicht vorstellen, wieder wegzugehen – auch wenn ich auf meine Wohnung in Wien nicht verzichten möchte (lacht). Ich freue mich am meisten darauf, mehr Zeit für meine Freunde zu haben. Sie mussten in den vergangenen Jahren sehr tolerant sein ...
Sie haben einen Wunsch frei und können ein Problem im Ausbildungsbereich lösen. Welches?
Ich wünsche mir, dass sich die besten jungen Leute für den Beruf entscheiden. Bildungsforscher Willi Stadelmann meint: „Es gibt kein Gen für gute Lehrer!“Das stimmt. Gute Lehrer brauchen eine gute Ausbildung. Und die gibt es!