Neue römische Sensationen in Virunum
Bei den Ausgrabungen am Zollfeld tauchten in einem Brunnen Fundstücke aus der Römerzeit auf. Sie werden nun ebenso untersucht wie Knochen, Körner und Pollen.
DWenn man in der Antike spazieren geht, ist der Dionysos-Kult einer der häufigsten. Heimo Dolenz, Archäologe
inge, die kaputt waren, wurden nach dem Erdbeben in den Brunnen geworfen“, erzählt Virunum-Grabungsleiter Heimo Dolenz, der erst vor einem Monat mit seinem Team eine 110 Kilogramm schwere Steinplatte mit einer Renovierungsinschrift aus dem Jahr 183 n. Chr. gefunden hat. Unmittelbar daneben konnte man im Herbst beim Ackerbau bereits eine 270 Kilogramm schwere Platte mit Namensinschriften bergen. Es ist ein Mitgliederverzeichnis von Männern und Frauen, die in einem Vereinshaus dem Dionysos-Kult huldigten.
130 bis 235 nach Christus war die Blütezeit der Römer in der Provinzhauptstadt Noricums. Die Vereine waren Ausdruck des erstarkten Bürgertums, der Dionysosoder Bacchus-Kult feierte den Gott des Weines und der
Fruchtbarkeit. Das Erdbeben wurde auf 235 n. Chr. datiert und war nach einem 183 n. Chr. bereits das zweite, das das einstige Vereinsgebäude beschädigte. Diesmal war es endgültig, denn das Haus wurde nicht mehr renoviert und blieb eine mit Schutt gefüllte Ruine. Während des vergangenen Sommers waren die Grundmauern des rund 160 Quadratmeter großen Vereinshauses freigelegt worden.
An der Grabungsstelle bei Maria Saal entdeckten die Kärntner Archäologen schließlich einen rund vier
Meter tiefen Brunnen, der nun nach und nach immer neue Funde und Erkenntnisse preisgibt: Eine Besonderheit ist etwa ein 40 Zentimeter langer phallischer Kultstein („Baitylos“), der die Inschrift „liber pater“trägt und auf den Dionysos-Kult hinweist: „Wenn man in der Antike spazieren geht, ist der Dionysos-Kult einer der häufigsten“, erläutert Dolenz. Zwei Kultgefäße aus Keramik, ein Sieb und ein Gefäß aus Bronze kamen ebenso zutage wie der Oberarm einer weiblichen Statue. Dolenz: „In Noricum haben wir nichts Vergleichbares!“Eine Haarnadel oder Fragmente eines Spiegels weisen darauf hin, dass auch Frauen in den bürgerlichen Vereinen tätig waren.
Mittels einer GeoradarUntersuchung ist den Historikern klar geworden, dass das Amphitheater und das Bühnentheater von Virunum auf dieser Terrasse durch eine Straße verbunden gewesen sind, entlang derer sich insgesamt sieben solcher Vereinshäuser befanden. Es ist also noch einiges an verborgenen Geheimnissen zu erwarten. „Bis dato ist so eine
Straße mit Kollegiengebäuden in der römischen Urbanistik nur aus Ostia, dem Hafen von Rom, bekannt“, freut sich Dolenz über den Sensationsfund.
Wie geht es weiter? „Die Erde aus dem Brunnen wird nächste Woche in Säcken nach Wien zur Akademie der Wissenschaften gebracht, wo ein archäobotanisches und -zoologisches Forschungsprojekt startet“, erzählt Dolenz. „Da wird dann geschaut, was sich noch so findet. Getreide, Fischgräten, Knochen, eventuell mit Hackspuren, Erdbeer- oder
Schlehdornsamen.“Daraus könne man dann Rückschlüsse ziehen, wie die Landschaft in der Antike hier ausgesehen hat, welche Pflanzen im Zollfeld gewachsen sind. „Am meisten freue ich mich auf die Pollenanalysen“, ist der Grabungsleiter von Virunum jetzt schon erwartungsvoll.
Bis ins Jahr 2025 läuft der Pachtvertrag zwischen dem Grundbesitzer und dem Land Kärnten. Es sind also noch einige Erkenntnisse über das Leben der Menschen vor rund 1800 Jahren zu erwarten.