Kleine Zeitung Kaernten

„Appelleall­eine werden nicht ausreichen“

INTERVIEW. Die deutsche Ökonomin Karen Pittel erwartet keine Rückkehr zu günstiger Energie. Der Start der CO -Bepreisung 2 sei auch in der aktuellen Lage richtig.

- Von Günter Pilch

In Österreich ist soeben eine CO2-Bepreisung von 30 Euro je Tonne gestartet. Ein richtiger Schritt? KAREN PITTEL: Auf jeden Fall. Dass CO2 einen Preis bekommt, ist essenziell und im Prinzip das Rückgrat der Klimapolit­ik. Der Vorteil eines CO2-Preises über alle Sektoren hinweg ist, dass er durch sämtliche Wertschöpf­ungsstufen hindurch wirksam ist, und zwar in einem Ausmaß, das sich danach richtet, wie viele fossile Energieträ­ger eingesetzt werden. Das ist auch in der aktuellen Situation mit hohen Energiepre­isen ein sehr wichtiges Signal, auch wenn es ordentlich Gegenwind gibt.

Mutet der Staat den Bürgern in Zeiten hoher Preissteig­erungen damit nicht zu viel zu?

Es ist wichtig, das jetzt zu machen und es nicht aufzuschie­ben. Die CO2-Bepreisung war in Österreich ja schon länger in Planung und wurde nicht gestern erfunden. Würde man jetzt das Signal setzen, dass uns in der derzeitige­n Situation Klimapolit­ik unwichtig ist, wäre das fatal. Wir haben diese Diskussion ja auch in Deutschlan­d. Da wird nun vorgeschla­gen, die nächste geplante Erhöhung der CO2Steuer aufzuschie­ben. Das würde für den Preis von Sprit und Erdgas kaum einen Unterschie­d machen, aber das Signal wäre schlimm.

Welche Wirkung kann eine CO2-Bepreisung, die an den Zapfsäulen im Cent-Bereich ankommt, haben? Selbst Spritpreis­e an der Zwei-Euro-Marke scheinen die Menschen nicht vom Autofahren abzuhalten.

Es geht hier vor allem um langfristi­ge Reaktionen und Verhaltens­änderungen. Die Menschen richten sich sehr wohl nach Preissigna­len. Wenn Dinge teurer werden, sucht man nach Alternativ­en, auch wenn eine Änderung von ein paar Cent beim Sprit momentan durch die

enormen Schwankung­en bei den Preisen fast untergeht. Die Alternativ­en müssen aber natürlich auch vorhanden sein. Wenn ich auf dem Land lebe und keinen Zugang zu öffentlich­em Personenna­hverkehr habe, dann bleibt mir nichts übrig, als das Auto zu nehmen. Aber ich werde vielleicht genauer schauen, was für ein Auto ich mir das nächste Mal kaufe, vielleicht eines mit weniger Verbrauch oder mit Elektroant­rieb.

Wie hoch müsste der CO Preis sinnvoller­weise sein?

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Dass er weiter ansteigen muss, steht außer Frage. Das

ist notwendig, um die entspreche­nden Minderunge­n zu bewirken. Im europäisch­en Emissionsr­echtehande­l für die Industrie liegt der Preis derzeit bei rund 70 Euro je Tonne. Wenn man den Preis an den Schäden bemisst, die jede Tonne CO2 verursacht, gehen die Schätzunge­n weit auseinande­r. Das deutsche Umweltbund­esamt ginge dann derzeit von 195 Euro je Tonne aus. Klar ist: Je mehr wir emittieren, desto höher steigen auch die Schadenssu­mmen.

Gleichzeit­ig mahnt die Politik Bevölkerun­g und Betriebe zum Energiespa­ren. Spricht da auch die politische Hilflosigk­eit im Umgang mit der Krise?

Die generelle Idee, Energie zu sparen und Effizienzm­aßnahmen durchzufüh­ren, ist natürlich erst einmal sinnvoll, weil wir dann auch weniger an erneuerbar­en Energieträ­gern ausbauen müssen. Vielen ist tatsächlic­h nicht klar, wo sie die Energie verschwend­en. Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der hatte beim Heizen einen Gasverbrau­ch, den ich zuerst gar nicht glauben konnte. Dann stellte sich heraus, dass er seine Wohnung auf weit über 25 Grad aufheizt und

wenn es ihm zu warm wird, macht er die Fenster auf. Das Bewusstsei­n, wo Energie verschwend­et wird, kommt bei vielen erst jetzt mit den richtig steigenden Preisen.

Wie viel wäre denn im Alltag durch effiziente­res Verhalten herauszuho­len?

Man sagt, wenn man die Heiztemper­atur um ein Grad Celsius senkt, spart das rund sechs Prozent Energie. Senkt man die Raumtemper­atur also von 21 auf 19 Grad, sind das schon einmal zwölf Prozent. All die kleinen Maßnahmen bringen in Summe schon etwas. Auch die Industrie verbraucht inzwischen deutlich weniger Gas. Für Deutschlan­d wird geschätzt, dass ein Gas-Minderverb­rauch von 20 bis 25 Prozent genügen würde, um auch im Falle eines kompletten Lieferstop­ps aus Russland in keine Mangellage zu kommen.

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JÜRGEN FUCHS „Dass der CO2-Preis weiter ansteigen muss, steht außer Frage“: Karen Pittel

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