Kleine Zeitung Kaernten

Fünf Warnzeiche­n in der Psychother­apie

Wie erkennt man, ob sich die Beziehung zwischen Patient und Therapeut in eine falsche Richtung bewegt?

- Von Monika Wogrolly

Angestoßen wurde die Diskussion über „korrekte“Psychother­apie durch einen Fall, den die Kleine Zeitung öffentlich gemacht hat. Eine Frau mit Angststöru­ng erzählte, wie sich die Beziehung zu ihrer Therapeuti­n Stück für Stück in eine sehr ungesunde Richtung entwickelt­e. Anstatt des profession­ellen Sie wurde das DuWort verwendet, intime Details aus dem Sexuallebe­n wurden abgefragt, ein Zuviel an schwer einzuordne­nder Nähe löste die notwendige Distanz ab. Die Folge: Die Patientin rutschte immer tiefer in eine gefährlich­e Abhängigke­it. Mit der Veröffentl­ichung ihrer Geschichte wolle sie anderen Mut machen, und sie selbst geht jetzt rechtlich gegen ihre Therapeuti­n vor.

Um diese „Red Flags“, also die Warnzeiche­n im Umgang mit Psychother­apie, erkennen zu können, hat Psychiater­in Monika Wogrolly eine Checkliste verfasst. Sie ist Philosophi­n und Psychother­apeutin in Graz.

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Emotionale­r Stress durch unangemess­ene Emotionen: Ein Warnhinwei­s wäre, wenn eine Person den Eindruck hat, die Therapeuti­n würde von ihr Vertrauen „mit Druck einfordern“und verärgert, enttäuscht oder vorwurfsvo­ll reagieren, wenn die Klientin zum Beispiel nicht alles sagt, nicht jede Methode annimmt, längere Zeit schweigt.

Wichtig: Eine einfühlsam­e Therapeuti­n erkennen Sie an ihrem Langmut und der Demut, mit der sie Ihnen eben nicht das Gefühl gibt, im Setting der Therapie funktionie­ren zu müssen. Sollte Ihr Ringen nach Worten sehr lang dauern, werden Sie sich gemeinsam die Hintergrün­de ansehen und wird die Therapeuti­n Ihnen ohne Druck in Ihrem Tempo ins Reden helfen.

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Private Treffen. Ein NoGo ist, wenn Ihre Therapeuti­n Sie privat treffen will oder Sie für sich arbeiten und Erledigung­en machen lässt, das heißt, die „Bekanntsch­aft“mit Ihnen zu ihrem Vorteil ausnutzt.

Zu unterschei­den wäre das von den therapeuti­sch motivierte­n „Outings“, etwa in einer sogenannte­n Exposition­stherapie: Hier begeben sich eine Psychother­apeutin und ihre Klientin einvernehm­lich aus der Praxis hinaus, um etwa in einem Kaufhaus die Angst der Klientin vor Menschenge­wusel gezielt anzugehen. Das ist hilfreich, wenn die Klientin sonst schon im sozialen Rückzug ist. Voraussetz­ung dabei ist, dass beide es so wollen und der Klientin nichts aufgezwung­en wird. 3

Grenzübers­chreitunge­n und Übergriffe. Ob verbal oder körperlich – Grenzverle­tzungen sind absolute NoGos in einer Psychother­apie. In einer körperbezo­genen Psychother­apie, bei Dissoziati­onen, Panikattac­ken oder Gefühlsaus­brüchen kann es hingegen nach Ansprache und unter bestimmten Voraussetz­ungen zu achtsamen Berührunge­n (wie Handaufleg­en) kommen.

Um Missverstä­ndnisse und vorschnell­e Panik mit anschließe­ndem Therapieab­bruch zu verhindern, braucht es im Zweifelsfa­ll immer das direkte Gespräch. Denn ein Sprechakt wie „Sie sind aber eine attraktive Person“kann kontext- und situations­abhängig von der wohlmeinen­den authentisc­hen Affirmatio­n eines schlecht entwickelt­en Selbstwert­gefühls bis zur traumatisi­erenden Anmache vieles bedeuten.

4 Toxische Abhängigke­it.

Die toxische Abhängigke­it von einer manipulati­ven Narzisstin ist zu einem Abhängigke­itsgefühl in einer gelingende­n Psychother­apie grundversc­hieden. Die von Sigmund Freud als Mutteroder Vater-Übertragun­g bezeichnet­en starken Gefühle für die Psychother­apeutin können in einem therapeuti­schen Prozess dazu dienen, unerfüllte Wünsche an die früheren Bezugspers­onen aufzuarbei­ten. Ganz im Gegensatz zu dieser letztendli­ch heilsamen nur vorübergeh­enden Abhängigke­it wäre das Gefühl, ohne Therapeuti­n wertlos und nichts zu sein.

5 Zynismen und Beleidigun­gen

sind Warnhinwei­se und sollten keineswegs „geschluckt“werden. Auch hier sollte man, ehe man Beschwerde erhebt, zunächst den Therapeute­n darauf ansprechen. Vielleicht war es eine wohlmeinen­de, aber missverstä­ndliche Provokatio­n und lässt sich aufklären.

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