„Ich bin nicht der Kumpel derRegierung“
INTERVIEW. Tassilo Wallentin würde nicht gleich nach Amtsantritt die Regierung in die Wüste schicken. Auf der Hofburg hinge auch die EU-Fahne.
Sie wollen das Asylchaos beenden, der EZB einen Riegel vorschieben, klagen über den Neutralitätsschwund. Treten Sie nicht bei der falschen Wahl an? Politik macht in Österreich der Kanzler, nicht der Präsident. TASSILO WALLENTIN: Der Bundespräsident soll, und so haben es auch die Verfassungsväter vorgesehen, auch ein Gegengewicht zur Regierung darstellen. Das zeigt sich in der Bestimmung, dass er im Extremfall die Regierung entlassen kann. Der Präsident soll teamfähig und besonnen, aber nicht der Kumpel der Regierung sein. Die dafür notwendige Unabhängigkeit bringe ich mit. Der Bundespräsident hat auch eine ungeheure Kommunikationsmacht. Wenn er beispielsweise mit einem Fernsehteam an die Grenze fährt, wo das Asylchaos herrscht, oder eine Brennpunktschule besucht, kommt die Politik in Zugzwang, Lösungen anzubieten.
Aber, Herr Wallentin, ein Veto gegen eine EU-Asylrichtline kann nur der Kanzler, nicht der Bundespräsident einlegen. Das gilt auch für die Entsendung von Polizisten oder Soldaten an die Grenze.
Ich sehe es definitiv nicht so, denn ich glaube, dass der Bundespräsident durch seine Kommunikationsmacht so etwas Ähnliches sein kann wie der Herausgeber einer Zeitung. Er kann die großen Leitlinien aufzeigen. Zudem bewirkt allein die Möglichkeit, die Notbremse im Extremfall zu ziehen, dass eine Regierung Lösungen anbietet. Das war bisher nicht der Fall, wenn ein Ex-Grüner eine grüne Regierungsbeteiligung managt.
Selbst wenn Sie die Regierung entlassen und eine Expertenregierung, die Ihnen zu Gesicht steht, einsetzen, haben Sie das Problem, dass diese keine Mehrheit im Parlament besitzt und umgehend in die Wüste geschickt werden kann.
Deshalb würde ich auch nicht so ungeschickt vorgehen. Eine Entlassung muss vorbereitet sein, gilt nur für den Extremfall – Stichwort: kriegswirtschaftliche Zustände – und zuvor muss die Regierung die Chance habe, noch Lösungen anzubieten.
Warum sollten ÖVP und die Grünen Ihnen zuliebe das Koalitionsabkommen über Bord werfen?
Ich sehe meine Rolle nicht da
BUNDESPRÄSIDENTEN
rin, politischen Parteien aus ideologischer Sicht vorzuschreiben, was sie tun sollen. Da habe ich mich nicht einzumischen. Was ich schon verlangen kann, ist, dass man Konzepte vorlegt, die Missstände beenden. Wenn Sie sehen, wie viele Ministerwechsel wir hatten, das hätte ich nicht mitgemacht.
Der Bundespräsident ist doch der „Grüß-August“der Republik. Klestil wollte Schwarz-Blau mit Schüssel und Haider verhindern, das ist ihm nicht gelungen.
Das war Klestils Fehler, dass er ideologisch bzw. salopp gesagt parteipolitisch agiert hat. Es hat ihm weltanschaulich nicht gepasst, und deshalb wollte er die
Koalition verhindern. Das darf man sich nicht anmaßen. Ich darf Mehrheiten im Parlament, die aufgrund freier demokratischer Wahlen zustande gekommen sind, nicht ignorieren, das steht mir als Präsident nicht zu. Was mir schon zusteht, ist, die Regierung zum Handeln aufzufordern.
Was unterscheidet Sie von den anderen Kandidaten? Ihre Positionen sind fast deckungsgleich.
Ich bin nicht an Parteiprogramme gebunden. Ich halte nichts von dem Links-Rechts-Schema, es gibt in fast allen Parteien Wertvolles, das man übernehmen kann, ohne beliebig zu sein. Ich habe die Probleme zehn Jahre analysiert und Lösungen geboten. Andere verwenden bloß Überschriften, zudem bin ich unabhängig. Einige meiner Mitbewerber wollen eine Abstimmung über den Austritt aus EU. Da entgegne ich ihnen, dass man es der Re
gierung viel zu leicht macht, denn vieles kann man auf nationalstaatlicher Ebene lösen.
Gibt es Wertvolles bei der KPÖ?
Da sehe ich keinen Vorteil.
Ist Ihr Antreten nicht ein Revanche-Foul an Van der Bellen, weil Sie als Höchstrichter nicht zum Zug gekommen sind? Ihr Name taucht in einem Sideletter auf.
Ich habe mitbekommen, dass aus der Hofburg Negativ-Signale gekommen sind, wobei ich festhalten muss, ich war kein FPÖ-Kandidat. Im Sideletter werde ich als unabhängig bezeichnet. Deshalb gab es wohl Widerstand, den der Bundespräsident rechtlich nie durchgehalten hätte. Ich habe mich aus eigenen Stücken entschieden, bei der Zeitung zu bleiben.
Wer hat Sie auf die Liste gesetzt?
Die wesentlichen Gespräche gab es damals mit Sebastian
Kurz und auch die FPÖ war einverstanden. Ich war der unabhängige Kompromisskandidat.
Sollten Sie nicht in die Hofburg einziehen, kehren Sie nach der Wahl als „Krone“-Kolumnist zurück?
Das ist noch offen, das habe ich mir noch nicht überlegt.
Ist Ihr Antreten ein Probegalopp für eine Nationalratswahl?
Ich denke nur an den 9. Oktober.
Sollten Sie Präsident werden: Werden Sie auf der Hofburg nur die Österreich-Fahne oder auch die Europa-Fahne aufziehen?
Beide, da sehe ich keinen Widerspruch, solange man weiß, dass man von den Österreichern gewählt und beauftragt wurde, nicht von Brüssel. Wir haben gigantische Wirtschaftsräume wie die USA, Indien, China. Wir brauchen ein Vereintes Europa, keine Frage, aber nicht mit diesen Fehlentwicklungen zulasten Österreichs.