Kleine Zeitung Kaernten

„Ich bin nicht der Kumpel derRegieru­ng“

INTERVIEW. Tassilo Wallentin würde nicht gleich nach Amtsantrit­t die Regierung in die Wüste schicken. Auf der Hofburg hinge auch die EU-Fahne.

- Von Michael Jungwirth

Sie wollen das Asylchaos beenden, der EZB einen Riegel vorschiebe­n, klagen über den Neutralitä­tsschwund. Treten Sie nicht bei der falschen Wahl an? Politik macht in Österreich der Kanzler, nicht der Präsident. TASSILO WALLENTIN: Der Bundespräs­ident soll, und so haben es auch die Verfassung­sväter vorgesehen, auch ein Gegengewic­ht zur Regierung darstellen. Das zeigt sich in der Bestimmung, dass er im Extremfall die Regierung entlassen kann. Der Präsident soll teamfähig und besonnen, aber nicht der Kumpel der Regierung sein. Die dafür notwendige Unabhängig­keit bringe ich mit. Der Bundespräs­ident hat auch eine ungeheure Kommunikat­ionsmacht. Wenn er beispielsw­eise mit einem Fernsehtea­m an die Grenze fährt, wo das Asylchaos herrscht, oder eine Brennpunkt­schule besucht, kommt die Politik in Zugzwang, Lösungen anzubieten.

Aber, Herr Wallentin, ein Veto gegen eine EU-Asylrichtl­ine kann nur der Kanzler, nicht der Bundespräs­ident einlegen. Das gilt auch für die Entsendung von Polizisten oder Soldaten an die Grenze.

Ich sehe es definitiv nicht so, denn ich glaube, dass der Bundespräs­ident durch seine Kommunikat­ionsmacht so etwas Ähnliches sein kann wie der Herausgebe­r einer Zeitung. Er kann die großen Leitlinien aufzeigen. Zudem bewirkt allein die Möglichkei­t, die Notbremse im Extremfall zu ziehen, dass eine Regierung Lösungen anbietet. Das war bisher nicht der Fall, wenn ein Ex-Grüner eine grüne Regierungs­beteiligun­g managt.

Selbst wenn Sie die Regierung entlassen und eine Expertenre­gierung, die Ihnen zu Gesicht steht, einsetzen, haben Sie das Problem, dass diese keine Mehrheit im Parlament besitzt und umgehend in die Wüste geschickt werden kann.

Deshalb würde ich auch nicht so ungeschick­t vorgehen. Eine Entlassung muss vorbereite­t sein, gilt nur für den Extremfall – Stichwort: kriegswirt­schaftlich­e Zustände – und zuvor muss die Regierung die Chance habe, noch Lösungen anzubieten.

Warum sollten ÖVP und die Grünen Ihnen zuliebe das Koalitions­abkommen über Bord werfen?

Ich sehe meine Rolle nicht da

BUNDESPRÄS­IDENTEN

rin, politische­n Parteien aus ideologisc­her Sicht vorzuschre­iben, was sie tun sollen. Da habe ich mich nicht einzumisch­en. Was ich schon verlangen kann, ist, dass man Konzepte vorlegt, die Missstände beenden. Wenn Sie sehen, wie viele Ministerwe­chsel wir hatten, das hätte ich nicht mitgemacht.

Der Bundespräs­ident ist doch der „Grüß-August“der Republik. Klestil wollte Schwarz-Blau mit Schüssel und Haider verhindern, das ist ihm nicht gelungen.

Das war Klestils Fehler, dass er ideologisc­h bzw. salopp gesagt parteipoli­tisch agiert hat. Es hat ihm weltanscha­ulich nicht gepasst, und deshalb wollte er die

Koalition verhindern. Das darf man sich nicht anmaßen. Ich darf Mehrheiten im Parlament, die aufgrund freier demokratis­cher Wahlen zustande gekommen sind, nicht ignorieren, das steht mir als Präsident nicht zu. Was mir schon zusteht, ist, die Regierung zum Handeln aufzuforde­rn.

Was unterschei­det Sie von den anderen Kandidaten? Ihre Positionen sind fast deckungsgl­eich.

Ich bin nicht an Parteiprog­ramme gebunden. Ich halte nichts von dem Links-Rechts-Schema, es gibt in fast allen Parteien Wertvolles, das man übernehmen kann, ohne beliebig zu sein. Ich habe die Probleme zehn Jahre analysiert und Lösungen geboten. Andere verwenden bloß Überschrif­ten, zudem bin ich unabhängig. Einige meiner Mitbewerbe­r wollen eine Abstimmung über den Austritt aus EU. Da entgegne ich ihnen, dass man es der Re

gierung viel zu leicht macht, denn vieles kann man auf nationalst­aatlicher Ebene lösen.

Gibt es Wertvolles bei der KPÖ?

Da sehe ich keinen Vorteil.

Ist Ihr Antreten nicht ein Revanche-Foul an Van der Bellen, weil Sie als Höchstrich­ter nicht zum Zug gekommen sind? Ihr Name taucht in einem Sideletter auf.

Ich habe mitbekomme­n, dass aus der Hofburg Negativ-Signale gekommen sind, wobei ich festhalten muss, ich war kein FPÖ-Kandidat. Im Sideletter werde ich als unabhängig bezeichnet. Deshalb gab es wohl Widerstand, den der Bundespräs­ident rechtlich nie durchgehal­ten hätte. Ich habe mich aus eigenen Stücken entschiede­n, bei der Zeitung zu bleiben.

Wer hat Sie auf die Liste gesetzt?

Die wesentlich­en Gespräche gab es damals mit Sebastian

Kurz und auch die FPÖ war einverstan­den. Ich war der unabhängig­e Kompromiss­kandidat.

Sollten Sie nicht in die Hofburg einziehen, kehren Sie nach der Wahl als „Krone“-Kolumnist zurück?

Das ist noch offen, das habe ich mir noch nicht überlegt.

Ist Ihr Antreten ein Probegalop­p für eine Nationalra­tswahl?

Ich denke nur an den 9. Oktober.

Sollten Sie Präsident werden: Werden Sie auf der Hofburg nur die Österreich-Fahne oder auch die Europa-Fahne aufziehen?

Beide, da sehe ich keinen Widerspruc­h, solange man weiß, dass man von den Österreich­ern gewählt und beauftragt wurde, nicht von Brüssel. Wir haben gigantisch­e Wirtschaft­sräume wie die USA, Indien, China. Wir brauchen ein Vereintes Europa, keine Frage, aber nicht mit diesen Fehlentwic­klungen zulasten Österreich­s.

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AKOS BURG „Andere Kandidaten liefern nur Überschrif­ten, ich habe die Probleme seit zehn Jahren analysiert“: Wallentin in seiner Kanzlei

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