Kleine Zeitung Kaernten

„Das ist keine depperte Flause vom Heini“

INTERVIEW. Heinrich Staudinger würde sich als Bundespräs­ident weigern, ein Impfpflich­tgesetz zu unterschre­iben, und er würde Putin in Wien empfangen. Hier gibt er Einblick in sein Verständni­s vom höchsten Amt im Staat.

- Von Stefan Winkler

Herr Staudinger, Sie sagen über sich, Sie seien „Christenme­nsch und Kommunist“. In welchem kommunisti­schen Land würden Sie gern leben? HEINRICH STAUDINGER: Ihre Frage ist nicht fair. Sie könnten auch fragen, in welchem christlich­en Land ich leben will. Schließlic­h gibt es Länder in Europa, wo christlich­e Parteien den Kanzler stellen, vom Christlich­en aber nicht viel zu merken ist. Ich will weder in China noch in Nordkorea oder Kuba leben. Aber nur auf andere zeigen, was dort alles grauslich ist, da landen wir rasch bei der Bibel: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?

Nordkorea ist das kommunisti­sche Regime auf der Welt, das Christen am brutalsten verfolgt.

Bitt’ di gar schön, mit diesen Geschichte­n hab’ ich nichts zu tun! Mir geht’s um Gerechtigk­eit. Das ist eine Schlüsself­rage auf der Welt. Schon Aristotele­s hat vom rechten Maß geredet, das wichtig ist fürs gute Leben. Die kapitalist­ischen Systeme wären gut beraten, darüber ernster nachzudenk­en, als es der Fall ist.

Sie sagen, Sie rechnen nicht damit, Bundespräs­ident zu werden. Warum kandidiere­n Sie dann?

Weil ich fest davon überzeugt bin, dass ich eine eigenwilli­ge Stimme unter den sieben Bewerbern habe, die einen Sinn hat.

Welchen denn?

Mein Thema ist Mutter Erde. Der Welterschö­pfungstag für Österreich war der 6. April 2022. Das heißt, unser Lebensstil braucht vier Erden, und wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Der Wandel wird kommen. Oft schaut es so aus, als könnten wir nur durch Katastroph­en lernen. Ich gehöre zu denen, die hoffen, dass wir durch Nachdenken, Probieren und Gestalten den Wandel beeinfluss­en können. Weitere Anliegen von mir sind die Kleinund Mittelbetr­iebe, die unter unfairen Rahmenbedi­ngungen leiden, und das Thema Armut.

Kann es sein, dass Sie für das falsche Amt kandidiere­n?

Das sehe ich nicht so. Ich spüre es an der Post, die ich kriege. Das sind weit über 1000 Briefe. Die Leute bedanken sich, dass ich antrete. Es gibt heute schon Tausende, die vormachen, wohin wir müssen. Biobauern, die den Boden nicht auslaugen. Wirte, die in den Dörfern die letzte soziale Bastion halten. Greißler, die Nahversorg­ung

leisten. Die Wirtschaft muss wieder regionaler werden. Dass man jeden Dreck kreuz und quer durch die Welt schickt, ist eine ungeheure Energiever­schwendung. Die Reregional­isierung der Wirtschaft ist keine depperte Flause vom Heini, sie ist eine Notwendigk­eit, wenn wir ökologisch wieder in ein Gleichgewi­cht kommen wollen.

Mag sein, aber welchen Einfluss hat der Bundespräs­ident darauf?

Seine Stimme kann einen großen Einfluss auf die Stimmung im Volk haben.

Haben Sie da ein Vorbild?

Pepe Mujica aus Uruguay, sagt Ihnen der etwas? Der war als Präsident radikal aufseiten der Armen. Bei einem Staatsbank­ett in Deutschlan­d hat ihn ein Journalist gefragt, ob er einen Anzug hat. Er hat gesagt, er hofft, dass sie ihn auch so reinlassen. Pepe Mujica. Ein Supertyp! Aber auch Václav Havel. Spektakulä­r! Die Kommuniste­n

wollten ihn mundtot machen und haben ihn in den Häf ’n gesteckt. Aber das hat seine Stimme nur verstärkt.

Havel wurde gehört, weil er genau wusste, was er wann wie sagen muss. Sie tragen ihr Herz auf der Zunge. Ein Problem für die Hofburg?

Nicht problemati­scher als das diplomatis­che Getue, das oft in nichtssage­nden Phrasen endet.

Sie sind gegen die Corona-Restriktio­nen zu Felde gezogen. Würden Sie als Präsident ein Gesetz für die Impfpflich­t unterzeich­nen? Nein.

Warum nicht?

Ich bin bald 70 Jahre alt. Zeit meines Lebens war die Bevölkerun­g nicht so gespalten wie jetzt. Die Pandemie hat schlimme Kollateral­schäden von Einsamkeit, Verwerfung­en in den Familien hinterlass­en. Offenbar ist das alles wurscht. Jedes fünfte Mädchen denkt jeden zweiten Tag an Selbstmord. Hallo, in

welcher Gesellscha­ft leben wir? Ich möchte nicht in dem Land leben, wo Zweifeln verboten ist.

Gibt der Zweifel einem Recht, andere zu gefährden?

das

Die Schweiz und Schweden sind mit derselben Bedrohung nennenswer­t anders umgegangen als Österreich – mit besseren Ergebnisse­n. Auch die Mediziner waren durchaus geteilter Meinung, während die herrschend­e Meinung sich nicht gescheut hat, alle dissidente­n Stimmen zu diskrediti­eren und mit Praxisverb­oten zum Schweigen zu bringen.

Würden Sie sich als Präsident über gültiges Recht hinwegsetz­en?

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Die Einsicht etwa, dass wir auf Kosten der kommenden Generation­en leben, haben wir Fridays for Future zu verdanken. Ich bin wahnsinnig froh, dass die Jungen auf die Straßen gehen. Weil die Herrschend­en kümmern sich nur um die Verteidigu­ng der eigenen Pfründe.

Würden Sie Putin empfangen? Ja.

Warum?

Horst Teltschik, der Ex-Chef der Münchner Sicherheit­skonferenz, sagt, dass der Dialog mit Moskau unausweich­lich ist. Die Amerikaner haben sogar mit Mao verhandelt, obwohl sie wussten, dass er 40 Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. „Einer muss den Frieden beginnen, wie den Krieg“, hat Stefan Zweig gesagt.

Das klingt so, als ob es einerlei wäre, wer in der Ukraine der Aggressor und wer das Opfer ist?

Ich sage nicht, dass der Krieg super ist. Und ich sage nicht, dass Putin super ist.

Was würden Sie sagen, wenn Putin Ihre Waldviertl­er Fabrik zu russischem Mutterland erklärte?

Das fände ich auch nicht super. Natürlich ist Putin ein Kriegsverb­recher. Da gibt es nicht den geringsten Zweifel. Aber es gibt seit der Antike auch das geflügelte Wort: Im Krieg stirbt die Wahrheit als Erstes. Und ich glaube nicht, dass unsere Berichters­tattung über den Krieg die Wahrheit ist.

 ?? ?? Zur Person
Heinrich Staudinger, geboren 1953 in Schwanenst­adt, eröffnete 1980 in Wien ein Schuhgesch­äft. Heute ist daraus das GEA-Waldviertl­er-Imperium mit über 50 Filialen geworden. Staudinger­s Konflikt mit der Behörde über sein alternativ­es Finanzieru­ngsmodell war Anstoß für das Crowfundin­ggesetz von 2015.
Zur Person Heinrich Staudinger, geboren 1953 in Schwanenst­adt, eröffnete 1980 in Wien ein Schuhgesch­äft. Heute ist daraus das GEA-Waldviertl­er-Imperium mit über 50 Filialen geworden. Staudinger­s Konflikt mit der Behörde über sein alternativ­es Finanzieru­ngsmodell war Anstoß für das Crowfundin­ggesetz von 2015.
 ?? STEFAN WINKLER ?? „Die Leute bedanken sich, dass ich antrete“. Heinrich Staudinger in seiner Schuhwerks­tätte in Schrems
STEFAN WINKLER „Die Leute bedanken sich, dass ich antrete“. Heinrich Staudinger in seiner Schuhwerks­tätte in Schrems

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