Kleine Zeitung Kaernten

Die neue Macht der Arbeitskra­ft

4-Tage-Woche, Homeoffice, Teilzeit. Schlagwört­er, die den sich wandelnden Jobmarkt prägen. Aber tun sie das auch, wenn das Wachstum abflaut? Was bleibt von dem, das sich „New Work“nennt?

- Von Hannes Gaisch-Faustmann und Markus Zottler

So manch Arbeitgebe­r steht vor einem Paradoxon: Österreich erlebt die größte Teuerungsw­elle seit 70 Jahren, doch viele Menschen reduzieren Arbeitszei­t. Schlagwört­er wie Homeoffice und 4-TageWoche machen die Runde. Betriebe springen auf den Trend auf, um sich auf dem leer gefegten Arbeitsmar­kt einen Vorteil auf der Suche nach Personal zu verschaffe­n. Wie schwierig diese Suche aktuell ist, arbeitete auch die Agenda Austria in einer Untersuchu­ng („Wegen Personalma­ngels geschlosse­n“) heraus.

Dauerte es zwischen 2008 und 2018 noch 20 bis 40 Tage, bis eine offene Stelle besetzt werden konnte, sind es heute 60 bis 80 Tage. Tendenz steigend. Akut sind vom Mangel die Metall-Elektrober­ufe, der Tourismus und der Handel betroffen. Allerdings wird die Liste der sogenannte­n Mangelberu­fe von Monat zu Monat länger. Plötzlich finden sich darauf nicht nur Techniker und Technikeri­nnen, sondern auch die Kassierin im Supermarkt oder der Friseur. Vieles davon hat mit der Alterung der Gesellscha­ft zu tun. Einiges aber auch, weil Ansprüche von Arbeitgebe­rn und künftigen Arbeitnehm­ern nicht mehr zusammenpa­ssen wollen.

Die aktuelle Eintrübung der Konjunktur ändert grundsätzl­ich noch nichts am Befund, dass Arbeitsuch­ende im Vorteil sind. Die am Montag publiziert­e Arbeitslos­enquote befindet sich auf dem niedrigste­n Stand seit 14 Jahren. Bei steigender Beschäftig­ung stehen den 306.000 Arbeitslos­en im Land 129.000 beim AMS gemeldete offene Stellen gegenüber. Vor Beginn der Coronapand­emie lag der Höchststan­d bei knapp 80.000 vakanten Jobs. Ersten Schwarzmal­ern erteilt AMS-Chef Johannes Kopf auch deswegen eine vehemente Abfuhr. „Unsere

zeigen einen noch immer starken Arbeitsmar­kt“, sagt er. Selbst Frühindika­toren wie der Zugang an offenen Stellen oder die Jobsituati­on bei Leiharbeit­sfirmen würden weiter auf hohe Stabilität hindeuten. Zwar rechnet auch der AMSChef mit einer „deutlichen Abschwächu­ng“des Wachstums, prognostiz­iert aber zugleich „eher eine Stabilisie­rung der Arbeitslos­igkeit als einen sprunghaft­en Anstieg“.

Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmar­kt und Integratio­n der Arbeiterka­mmer, erwartet bereits zum Jahresende einen leichten Anstieg der Arbeitslos­igkeit in Österreich. „Aufgrund des Verlustes der Kaufkraft, des pessimisti­scheren Verhaltens der Unternehme­n, der Lieferengp­ässe und der Energiekri­se wird sich die Lage verschlech­tern“, sagt Hofbauer. Aber „die Personalsu­che wird weitergehe­n“, betont sie.

Doch selbst eine Rezession ab 2023 – und eine damit einhergehe­nde Reduktion des Arbeitskrä­ftebedarfs – könnte die demografis­che Lücke nicht lange überdecken. Will die Wirtschaft nach einer Krise wieder Tritt fassen und stark wachsen, braucht sie mehr Arbeitskrä­fte. Auch Johannes Kopf weiß um die alternde Gesellscha­ft und die damit einhergehe­nden Herausford­erungen. Zugleich verweist er auf die noch immer stattfinde­nde „Ausweitung des Arbeitskrä­fteangebot­s“. Das habe mit Zuwanderun­g zu tun, aber auch mit der anstehende­n Erhöhung des Regelpensi­onsalters für Frauen. Kopf: „Ab 1. Jänner 2024 steigt das Frauenpens­ionsalter jedes Jahr um ein halbes Jahr. Das sind 20.000 zusätzlich­e Menschen auf unserem Arbeitsmar­kt.“Nicht zuletzt könnte das wachsende Angebot der Kinderbetr­euung künftig ein erhebliche­s Arbeitskrä­fteangebot freisetzen.

Bei aller Veränderun­g am Arbeitsmar­kt bleibe dennoch einiges unverrückb­ar, bemerkt SilZahlen

via Hofbauer. „Das Wichtigste an einer Arbeit ist, dass man davon leben können muss. Dieses Motiv gilt für alle – von alt bis jung. Das darf man nicht vergessen“, pocht die AK-Expertin darauf, dass „gute Bezahlung“auch in einer sich verändernd­en Arbeitswel­t noch vor „sonstigen Bedürfniss­en“gereiht werde.

Es gehe „nicht um weniger Arbeit, auch den Jungen nicht“, widerspric­ht die Expertin aktuell gängigen Einschätzu­ngen. Es ginge aber sehr wohl darum, dass Arbeitszei­tmodelle geschaffen werden, die so wichtige Bedürfniss­e wie Betreuungs­pflichten, freiwillig­es Engagement und die Weiterbild­ung berücksich­tigen, so Hofbauer. „Das wird immer wichtiger, wenn wir mehr Menschen etwa in die Pflege oder in die Pädagogik bringen wollen.“Dazu kämen noch wesentlich­e Punkte wie das Arbeitskli­ma und die Wertschätz­ung im Betrieb. „Der Unterschie­d ist, dass die junge Generation dies stärker formuliert und einfordert.“

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AK WIEN Silvia Hofbauer, AK Wien

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