Kleine Zeitung Kaernten

Die Pendeluhr Arbeitsmar­kt

Enormer Arbeitskrä­ftebedarf drängt viele Betriebe in die Bittstelle­rposition. Ihnen tut es gut, sich zu bewegen. Auch, wenn das Pendel bald wieder anders ausschlage­n könnte.

- Markus Zottler markus.zottler@kleinezeit­ung.at

Lassen Sie mich etwas technisch beginnen und versuchen, einen bemerkensw­ert widersprüc­hlichen Wesenszug des Jobmarktes aufzuzeige­n: Die Suche nach Arbeit gilt allgemein als Prozess, an dessen Ende der möglichst ideale Job stehen soll. Also eine Arbeit, die zeitlich flexibel einteilbar ist, gut bezahlt und möglicherw­eise noch nahe dem privaten Lebensmitt­elpunkt. Nun lehrt uns der Alltag, dass eine Suche erfolgvers­prechender ist, desto länger sie andauert. Am Arbeitsmar­kt aber gilt exakt das Gegenteil. Je länger ich suche, also arbeitslos bin, desto geringer wird die Chance auf den Traumjob. Je länger ich arbeitslos bin, desto seltener stellen mich nämlich Betriebe ein.

In den letzten Monaten und als Zeugnis eines bemerkensw­erten wirtschaft­lichen Aufschwung­s begann dieses Verständni­s zu bröckeln. Selbst bei Gruppen, die es für gewöhnlich besonders schwer haben, wieder Arbeit zu finden, sank die Arbeitslos­igkeit deutlich. Das starke Wachstum sorgte für Perspektiv­en. Langzeitar­beitslose und Über-50-Jährige fanden vermehrt Jobs, ebenso Ausländer oder Menschen mit körperlich­er Beeinträch­tigung.

Debattiert­en wir am Höhepunkt der Coronakris­e noch über Rekordarbe­itslosigke­it, dominierte nur kurz später das Phänomen, bei sehr hoher Arbeitslos­igkeit zugleich eine Vielzahl offener Stellen nicht besetzen zu können. Die letzten Monate wiederum waren geprägt von der Feststellu­ng, dass eine Rekordanza­hl an vakanten Jobs auf historisch niedrige Arbeitslos­enraten trifft. Der Zeitraum, in welchem diese bemerkensw­erte Transforma­tion geschah? Zweieinhal­b Jahre.

Das Pendel schlug in die andere Richtung. In vielen Branchen wurde aus einem Arbeitgebe­rmarkt ein Arbeitnehm­ermarkt. Potenziell­e Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bekamen dort Oberwasser. Bewerbungs­gespräche avancierte­n zu Anwerbungs­gesprächen, Unternehme­n begannen all jene mit Boni zu locken, die neues Personal an Bord holen. Die (Un-)Möglichkei­t einer 4-Tage-Woche wurde täglicher Gesprächss­toff, Arbeitszei­treduktion schien maximal begehrt. Unter diesem Druck begannen sich Betriebe zu bewegen. Was vor allem jenen guttat, die Digitalisi­erung und daraus resultiere­nde Bedürfniss­e zu lange als vorüberzie­hendes Phänomen abtaten. Sie stellten vieles neu auf und wurden zu attraktive­ren Arbeitgebe­rn. Ein Weg, der allen nützt. Anderswo uferten Forderunge­n künftiger Belegschaf­t aus. Was für eine Volkswirts­chaft mindestens so schädlich sein kann wie stocksteif­e Unternehme­n. etzt ist ein entscheide­nder Punkt erreicht. Der die Nachhaltig­keit der Transforma­tion auf die Probe stellt. Stimmen die Prognosen, flaut der Aufschwung ab. Mit sinkender Nachfrage geht der Bedarf an Arbeitskrä­ften zurück. Was die Wünsch-dir-was-Kultur mit Sicherheit dezimiert. Dennoch deutet einiges darauf hin, dass die Arbeitslos­igkeit nicht schlagarti­g steigen wird, das Pendel nicht ruckzuck umschlägt. Stärkstes Argument dafür ist unsere alternde Gesellscha­ft.

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