Der ältesten Zeitung der Welt droht das Aus
Die Redaktion der „Wiener Zeitung“wehrt sich gegen eine Umwandlung von der täglichen Printzeitung in ein Monatsprodukt.
Es war unter anderem Hugo Portisch, der Doyen des heimischen Journalismus, der im Frühjahr 2021 nicht weniger als den Welterbestatus für die „Wiener Zeitung“forderte. Falsch ist das nicht, denn diese kann sich mit einem einzigartigen Titel schmücken: Sie ist die älteste Tageszeitung der Welt. Gründungsjahr 1703. Eigentümer ist die Republik Österreich.
Die zu Jahresende geplante Abschaffung der Pflichtinserate im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“, die einen großen Teil der Einnahmen ausmachen, bedroht den Fortbestand der Printausgabe. Noch steht ein offizielles Ergebnis des ausverhandelten Paketes aus, aber erst kürzlich hat Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) bei den heimischen Medientagen erklärt, dass man sich bei gewissen Reformpaketen auf der Zielgeraden befinde, und auch die „Wiener Zeitung“könnte auf eine baldige Antwort hoffen. Diese Antwort dürfte mit ziemlicher Sicherheit eine Hiobsbotschaft sein. Vor zwei
Wochen berichtet „Der Standard“von Plänen, dass die Zeitung künftig nur mehr als Printmonatstitel und Onlineplattform erscheinen könnte. Nach APA-Informationen verdichten sich nun die Anzeichen, weshalb Dienstagnachmittag die Redaktionsversammlung der „Wiener Zeitung“eine Resolution verabschiedet hat. Denn die Umwandlung der Tageszeitung in eine monatliche Ausgabe kommt de facto einer Einstellung gleich.
In der Redaktion ist die Empörung naturgemäß groß. Auch, weil man laut Chefredakteur Walter Hämmerle mit Christian Helmenstein, dem Chefökonomen der Industriellenvereinigung, ein Zukunftskonzept erarbeitet hat, das den Erhalt der Zeitung ermöglichen würde. Die ist für Hämmerle „eine unerlässliche Plattform, auf der eine erfolgreiche Digitalisierung stattfinden kann“, wie er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung erklärt. Hämmerle kritisiert auch das „Wohlfühlpaket“der Regierung: Zwar würde es von Eigentümerseite ein Bekenntnis zu einer unabhängigen Redaktion geben, aber die Umstellung von einem täglichen Printprodukt hin zu einem Monatstitel hätte tief greifende redaktionelle Einschnitte bis zur Auflösung zur Folge. Wie der Chefredakteur im Gesamtprozess eine andere Vorgehensweise fordert: „Ich hätte gerne eine verlegerisch kompetente Geschäftsführung und eine engagierte Eigentümerstruktur. Es braucht einen Eigentümer, der sich um sein Eigentum dauerhaft kümmert. Jetzt besteht die realistische Gefahr, dass Menschen, denen die journalistische Entwicklung kein Anliegen ist, Entscheidungen treffen, die danach nicht revidierbar sind.“Nicht zuletzt pocht der 51-Jährige, der seit 2018 Chefredakteur ist, darauf, sich die Bedeutung der Zeitung an sich noch einmal vor Augen zu führen: „Auf diesen Seiten wird seit 319 Jahren die Geschichte Österreichs geschrieben!“